Morgens um fünf aus den Federn? Nicht für Menschen, deren innere Uhr erst etwas später anschlägt.

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Es ist Montagmorgen, und wieder einmal bekommt man die Augen kaum auf. Konzentriert arbeiten? Schwer vorstellbar gerade. Bis man in die Gänge kommt, dauert es. So weit, so bekannt? Das Problem ist, dass viele Arbeitgeber, aber auch so manche Kolleginnen oder Kollegen nur wenig Verständnis dafür aufbringen. "Zu viel gefeiert? Du solltest mal früher ins Bett gehen", heißt es dann oft, vielleicht sogar noch mit hochgezogener Augenbraue.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Dass Abendmenschen morgens eher keine kniffligen Denksportaufgaben lösen können, liegt in ihren Genen. Und gerade nach einem Wochenende, wo Ausschlafen kein Problem ist, braucht es etwas, bis man wieder in den früheren Rhythmus hineinfindet. Denn die innere Uhr der Menschen Uhr tickt unterschiedlich.

So manche – vor allem jene, die am Morgen topfit aus dem Bett hüpfen – tun diese Berufung auf die innere Uhr als Ausrede ab. Dabei ist sie wissenschaftlich belegt. Es gibt sogar einen eigenen Zweig dafür, die Chronobiologie. Für die Erforschung der inneren Uhr – oder des zirkadianen Rhythmus, wie das Fachwort lautet – erhielten die drei US-Wissenschafter Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young 2017 sogar den Medizin-Nobelpreis.

Gene steuern unseren Rhythmus

Hall und Rosbash hatten bei Taufliegen ein Gen identifiziert, das den Tageszyklus dieser Insekten steuert. Sie tauften dieses Gen daher PER, als Abkürzung für "Periodic". Wenig später entdeckte Young ein zweites Gen, das mit PER in enger Wechselwirkung steht und das er TIM nannte, für "Time". Heute kennt man insgesamt acht verschiedene "Uhren-Gene", die hunderte andere Gene beeinflussen und steuern können.

Diese Gene sind quasi der innere Taktgeber für den Schlaf- und Wach-Rhythmus, sie steuern und synchronisieren die Stoffwechselvorgänge in jeder Zelle des Körpers. Und dieser Rhythmus ist bei jedem und jeder etwas anders. Grob lassen sich die Menschen in Lerchen, also Frühaufsteher, und Eulen, die Langschläfer, einteilen.

Da gibt es Extremformen, manche stehen täglich um fünf Uhr auf und sind völlig ausgeschlafen. Am Abend sind sie dafür müde und gehen mit Freude bald ins Bett. Andere brauchen vor Mitternacht nicht einmal daran denken, einzuschlafen, frühmorgens geht dafür gar nichts. Der größere Teil der Menschen, gut 60 Prozent, liegt irgendwo in der Mitte mit Tendenz in eine Richtung. Diese innere Uhr bestimmt übrigens nicht nur, wann man müde wird, sie legt auch fest, wann im Verlauf eines Tages körperliche oder geistige Tätigkeiten zu den besten Ergebnissen führen.

Chronotyp beeinflusst die menschlichen Gehirnfunktionen

Um das genauer zu erforschen, haben sich Wissenschafterinnen und Wissenschafter am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) den Zusammenhang von Chronotyp und den physiologischen Prozessen des menschlichen Gehirns angeschaut. Die Erkenntnisse wurden jetzt in "Nature Communications" veröffentlicht. Und das Ergebnis zeigt klar: Der individuelle Chronotyp beeinflusst die menschlichen Gehirnfunktionen von grundlegenden physiologischen Mechanismen bis hin zu höheren kognitiven Funktionen, wie Wahrnehmung, Lernen, Erinnern und Denken.

Eine Arbeitsgruppe um die Psychologen und Neurowissenschafter Ali Salehinejad und Michael Nitsche hat dafür bei 36 Personen cortikale Erregbarkeit und kognitive Funktionen zu den bevorzugten bzw. besonders aktiven Tageszeiten der Probanden untersucht, Aufmerksamkeitslevel und Arbeitsgedächtnis wurden gemessen. Und es hat sich eindeutig gezeigt, dass motorisches Lernen und kognitive Fähigkeiten zur entsprechend dem individuellen Chronotyp bevorzugten Zeit im Vergleich zur nicht bevorzugten Zeit deutlich besser sind.

Diese Leistungsunterschiede spiegeln sich auch in entsprechenden Unterschieden der Gehirnphysiologie, wie der neuronalen Erregbarkeit und der Neuroplastizität, wider. Individuelle tageszeitabhängige Leistungsunterschiede lassen sich somit auf den Einfluss des Chronotyps auf grundlegende physiologische Mechanismen bis hin zu Verhalten und kognitiven Funktionen zurückführen.

Das heißt: Für alle, die tendenziell am Abend gerne länger aufbleiben, gibt es jetzt eine großartige und vor allem wissenschaftlich belegte Ausrede, warum frühmorgendliches Arbeiten für sie wirklich nicht ideal ist. Und das ist doch mal eine gute Nachricht am Montagmorgen. (Pia Kruckenhauser, 16.8.2021)