Warten auf die Impfung: Für einige wenige ist das immer noch nötig.

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Wenn sich Klara Gruber überhaupt mit Freunden trifft, dann nur im Freien. Und selbstverständlich sind alle getestet. Denn eine Sars-CoV-2-Infektion könnte für die 42-jährige fatale Folgen haben. Sie hat Lymphdrüsenkrebs – und kann derzeit noch nicht geimpft werden.

Damit ist sie eine große Ausnahme. Im November 2020 bekam Gruber – ihr Name wurde von der Redaktion geändert, als Lehrerin fürchtet sie Stigmatisierungen, wenn ihre Geschichte bekannt wird – die Diagnose Lymphom, eine Krebserkrankung des Lymphsystems. Therapiert wird diese mit Chemotherapie in Kombination mit Antikörpertherapie. Letztere ist nötig, damit die Chemotherapie anschlagen kann.

Dabei wird die Bildung von B-Zellen unterdrückt, das Immunsystem kann keine Antikörper bilden. Das hat aber zur Folge, dass ein Vakzin aller Wahrscheinlichkeit nach nichts bringt. Deshalb wird in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie eine Impfung erst in einem zeitlichen Abstand von mindestens drei bis sechs Monaten zur letzten Therapie empfohlen. Vor eineinhalb Monaten hat Gruber ihre Chemotherapie abgeschlossen, sie blickt positiv in die Zukunft. Jetzt heißt es für sie warten.

Wunsch nach normalem Leben

Ob eine Impfung bereits sinnvoll ist, bespricht Gruber frühestens in einigen Wochen mit ihrem Arzt. Davor kommt aber der Schulbeginn. Und Gruber möchte unbedingt unterrichten: "Ich will, soweit es geht, ins normale Leben zurückkehren. Das bedeutet für mich, meinen Job als Lehrerin wieder aufzunehmen. Der macht mir Spaß. Und um gesund zu werden, ist auch das Sozialleben wichtig."

Über weite Strecken ihrer Therapie hat sich Gruber komplett isoliert. Es gab nur eine Kontaktperson in der Familie, die das ebenso tat. "Das war für uns beide schwierig, immer diese Angst vor einer Infektion. Aber seit die Chemotherapie vorbei ist und man sich draußen treffen kann, nutze ich diese Möglichkeit. Ein Test vorher ist immer selbstverständlich, da gibt es keine Diskussion unter meinen Freunden, auch nicht wenn sie geimpft sind."

Bei aller Vorfreude auf den Unterricht hat die Lehrerin aber auch großen Respekt vor dem Schulbeginn: "Die Ärzte sagen, mit Maske und Abstandhalten sollte das Unterrichten möglich sein. Aber die Kinder bewegen sich natürlich viel. Davon kann und will ich sie auch nicht abhalten." Dazu kommt die deutlich infektiösere Delta-Variante. Und natürlich ist Gruber nach ihrer Therapie noch nicht fit.

Es ist ihr aber extrem wichtig, es zu versuchen. Schafft sie es nicht, wird sie in Krankenstand gehen müssen. Denn die Möglichkeit zur Freistellung als Risikopatientin ist mit 30. Juni ausgelaufen, die Impfung ist ja mittlerweile für alle, die sie möchten, verfügbar.

Nutzen-Risiko-Abwägung

Bis auf wenige Ausnahmen wie eben Klara Gruber stimmt das tatsächlich. "Eine absolute Kontraindikation besteht nur bei einer Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe der Impfung. Ethylenglykol etwa bei mRNA-Impfstoffen. Oder bei Kapillarleck-Syndrom bei Vektorimpfstoffen. Außerdem wenn der Allgemeinzustand der betroffenen Person aufgrund akuter Erkrankungen einen Stimulus des Immunsystems nicht zulässt", sagt Zeljko Kikic, Internist und Impfbeauftragter der Univ. Klinik für Urologie an der Med-Uni Wien.

"Besonderes Augenmerk wird natürlich auf jene gelegt, die bereits einmal einen anaphylaktischen Schock nach Medikamentengabe oder einer Impfung erlitten haben, oder wenn es schwere, lebensbedrohliche Allergien gibt, die eine Kreuzreaktion hervorrufen könnten. Mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen und nach Nutzen-Risiko-Abwägung wird im Großteil der Fälle aber eine Impfung empfohlen."

Erhöhte Vorsicht

Sehr vulnerable Gruppen sind außerdem Menschen mit Immunsuppression, mit Autoimmunerkrankungen, die mit einem transplantierten Organ leben, Dialysepatientinnen und -patienten oder jene, die aktuell eine Chemotherapie erhalten.

"Bei diesen Personen kann das Ansprechen auf die Impfung deutlich reduziert sein. Dennoch gibt es auch dafür mittlerweile vielversprechende Daten, die eine Reduktion der schweren Krankheitsverläufe dokumentieren. Damit ist eine Impfung absolut nahezulegen", sagt auch Nina Pilat-Michalek, Immunologin an der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie. "Bei Krebserkrankungen etwa wird die Impfung oft nach einem Chemozyklus verabreicht oder in einer stabilen Krankheitsphase, in der der Körper den zusätzlichen Reiz für das Immunsystem besser aushält."

Somit gibt einmal so etwas wie gute Nachrichten in der Pandemie: Es können tatsächlich fast alle Menschen gegen Sars-CoV-2 geimpft werden. Das sind laut Sozialministerium immerhin 7.872.174 in Österreich. Nur für Kinder unter zwölf gibt es noch keine Möglichkeit, sie sind hauptsächlich gemeint, wenn man – etwas abstrakt – von der nicht impfbaren Bevölkerung spricht. Sie müssen weiter warten. Genau wie Klara Gruber. (Pia Kruckenhauser, 14.8.2021)