Karim Adeyemi, am 18. Jänner 2002 in München geboren, lebt seinen Traum vorerst in Salzburg

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Karim Adeyemi glaubt, dass er den Schnitt nicht wird halten können. Was freilich überhaupt nichts mit mangelndem Selbstvertrauen zu tun hat. In den ersten drei Runden der Fußballbundesliga hat er fünf Tore erzielt, 32 Spieltage sind angesetzt. Eine Hochrechnung auf dieser Basis ergibt die phänomenale Zahl von 53 Treffern. "53 Tore in einer Saison werden sich vermutlich nicht ausgehen", sagt der 19-jährige Stürmer von Serienmeister Red Bull Salzburg.

Er spricht bayrischen Dialekt. Da er in München, im Stadtteil Forstenried, geboren wurde, ist das keine Sensation. Sein Vater, ein Ex-Fußballer, ist Nigerianer, seine Mutter Rumänin. Die beiden haben einander in Deutschland kennengelernt. Der deutsche Karim machte Erfahrungen, die die Welt nicht braucht. "Ja, als Kind war ich öfter mit Rassismus konfrontiert. Vor allem meine Mutter hat darunter gelitten. Vielleicht haben mich diese Erlebnisse stärker gemacht. Im Fußball ist das gar kein Thema. Es sollte generell kein Thema sein." Was für ihn zählt, ist "die Freude am Spiel".

Die Auswüchse in dieser Branche, die wahnwitzigen Ablösen, tangierten ihn kaum. "Ich lasse mich nicht verrückt machen, ich bleibe bodenständig und demütig. Das liegt an meinen Eltern, an meinen Freunden und an mir selbst."

Beuteschema

Rückblick: Im Sommer 2018 wurde der damals 16-jährige Adeyemi von Red Bull Salzburg engagiert. Man überwies dem Vernehmen nach mehr als drei Millionen Euro an Unterhaching. Er passte perfekt ins Beuteschema: jung, flink, hochbegabt, eine Investition in die Zukunft. Auch Chelsea hatte Interesse, Adeyemi zog es aber vor, in der Nähe seiner Heimat zu bleiben. "Die Entscheidung, nach Salzburg zu gehen, war absolut richtig."

Und der Bursche hat die Erwartungen mehr als erfüllt. Beim Farmteam FC Liefering ist er auffällig gewesen, er durfte mit der Elite mittrainieren. "Man hängt in der Warteschleife, aber man weiß, dass man eine Chance bekommt. Du brauchst Geduld. Aber Geduld ist eine meiner Stärken", sagt Adeyemi. "Das System funktioniert perfekt, Salzburg hat sehr gute junge Spieler, das Klima ist einzigartig. Man verkraftet Abgänge gut, es kommt immer etwas nach."

Speziell bei den Torjägern. Auf Marc Janko folgte Jonatan Soriano, auf Soriano Munas Dabbur, auf Dabbur Erling Haaland, auf Haaland Patson Daka, auf Daka eben Adeyemi. Sein aktueller Sturmpartner ist der erst 18-jährige Benjamin Sesko. Vielleicht ist der Kroate der nächste Adeyemi. Der hat seinen Vertrag bis 2024 verlängert, wird aber vermutlich früher verkauft. Die Serie der Millionentransfers lechzt nach einer Fortsetzung. Aber darüber spekuliert Adeyemi nicht. "Ich habe keinen Karriereplan, es kommt, wie es kommt. Aber es soll sehr viel kommen." Natürlich habe er, der mit Deutschland heuer U21-Europameister wurde, Träume. "EM-Titel, Weltmeistertitel, Sieg in der Champions League. Man soll ja nach dem Höchsten streben. Mein aktueller Traum ist aber Red Bull Salzburg."

Adeyemi ist pfeilschnell, fast so schnell wie der Schall. Wie lange er für 100 Meter braucht, weiß er nicht, es ist ihm auch relativ wurscht. "Die Schnelligkeit habe ich von meinem Vater. Er behauptet, noch schneller gewesen zu sein. Ich glaube ihm das aber nicht." Logischerweise habe er Vorbilder. "Gnabry, Mbappe oder Aubameyang. Schnelle Spieler, die stark im Eins-gegen-Eins sind und deren Spielstil ich einfach mag."

Besser als Sex

Seine Teamkollegen bezeichnen ihn als fröhlichen, positiven Menschen, der gerne lacht. Am 23. Juli, nach dem 3:1 zum Liga-Auftakt in Graz gegen Sturm, sagte der zweifache Torschütze im Fernsehen. "Das zweite Tor war besser als Sex." Da man Meinungen nur im Notfall ändern sollte, wiederholt er diese Einschätzung rund drei Wochen später im STANDARD. "Ich bleibe dabei, besser als Sex."

Wobei Adeyemi durchaus Verbesserungspotenzial sieht. "Ich muss ein Spiel noch mehr lesen, in die Aktionen häufiger eingebunden werden." Im Juni 2020 debütierte er in der Bundesliga, ein Schlüsselerlebnis war der 28. Februar 2021. Trainer Jesse Marsch tauschte ihn gegen Sturm bereits in der 36. Minute aus. Beim Stand von 0:2, Endstand 1:2. "Ich war völlig fertig, habe es nicht verstanden. Am nächsten Tag hat Marsch lange mit mir gesprochen, mir den Grund erklärt. Ich habe daraus meine Lehren gezogen, versucht, es besser zu machen. Das ist mir gelungen."

Am Samstag gastiert Salzburg bei der Admira, am Dienstag wird Bröndby Kopenhagen im Hinspiel des Playoffs zur Champions League begrüßt. Adeyemi sagt: "Wir haben Respekt vor der Admira, sie wird es uns schwermachen."

Sollte die gute Fee vorbeischauen und ihm Wünsche erfüllen, würde er nicht lange überlegen: "Auch wenn es ein wenig banal klingt: Ich will, dass die Welt besser, gerechter, normaler wird. Sage ich jetzt, ich wünsche mir Gesundheit, klingt das egoistisch. Alle sollen gesund bleiben." Man müsse, sagt Karim Adeyemi, nach dem Höchsten streben. (Christian Hackl, 13.8.2021)