So könnte das männliche Wollhaarmammut vor gut 17.000 Jahren ausgesehen haben.
Bild: James Havens

Etwa 7.000 bis 10.000 Schritte sollte ein gesunder Mensch am Tag mindestens gehen, um körperlich und geistig fit zu bleiben. Rechnet man mit 7.500 Schritten à 0,8 Metern, die zu einer täglichen Strecke von sechs Kilometern führen würden, und behält diese für heutige Verhältnisse hohe Zahl großzügigerweise für alle Lebensalter bei, so kämen wir bei einer Lebensdauer von 80 Jahren auf insgesamt gut 175.000 Kilometer. Damit ließe sich die Erde – mit dem Äquatorumfang gerechnet – locker viermal umrunden.

Einem Wollhaarmammut von vor 17.000 Jahren machen wir damit aber nichts vor, wie eine aktuelle Studie im Fachmagazin "Science" zeigt: In nur 28 Lebensjahren hat ein Exemplar so weite Strecken zurückgelegt, dass es die Erde umgerechnet fast zweimal umrundet hätte. Allerdings sicher nicht in Äquatornähe: Das Tier verließ seine Heimat im hohen Norden Amerikas nicht.

In der Sammlung der Stoßzähne des "Museums des Nordens" der Uni Alaska analysierte das Forschungsteam, darunter Isotopenspezialist Matthew Wooller, den Stoßzahn eines 28-jährigen Wollhaarmammuts.
Foto: JR Ancheta, University of Alaska Fairbanks

Diese Information konnte das Forschungsteam, zu dem auch Johanna Irrgeher und Thomas Prohaska vom chemischen Institut der Montanuniversität Leoben gehören, einem einzelnen Mammut-Stoßzahn entnehmen. Das 1,7 Meter lange Fossil stammt aus dem "Museum des Nordens" der Universität Alaska. Zur Anwendung kamen detaillierte Isotopenanalysen, die ermöglichten, die Reise des Mammuts und seine Ernährung festzuhalten.

Eisstanitzel statt Baumringe

So detailliert wurde die Lebensspanne eines Wollhaarmammuts noch nie beschrieben. "Es ist nicht klar, ob es ein saisonaler Wanderer war, aber es hat große Strecken zurückgelegt", sagt Matthew Wooller, Co-Autor der Studie und Direktor der Abteilung für Isotopenanalyse an der University of Alaska Fairbanks. "Es hat im Laufe seines Lebens viele Teile Alaskas besucht, was ziemlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie groß dieses Gebiet ist."

Der gespaltene Stoßzahn bildet eine Art Tagebuch, das die Lebensumstände des Mammuts dokumentiert hat.
Foto: JR Ancheta, University of Alaska Fairbanks

Die Stoßzähne eines Mammuts sind quasi mit Baumringen vergleichbar – jedenfalls kommen im Laufe ihres Lebens immer neue Schichten hinzu und verlängern die markanten Zahnstrukturen. Der Paläontologe und Museumsdirektor Pat Druckenmiller formuliert es so: "Vom Moment ihrer Geburt bis zu ihrem Tod haben sie ein Tagebuch, das in ihre Stoßzähne eingeschrieben ist." Für die Studie wurde der Stoßzahn gespalten, blaue Farbe half beim Erkennen der Wachstumslinien. Die Linien sind aber keine Ringe, sondern sehen eher wie übereinandergestapelte Eisstanitzel aus.

Verstoßen und verhungert

Per Laser und weiteren Techniken wurden Proben entnommen, um diese chemisch zu analysieren. Das Forschungsteam stellte fest, welche Variationen, sogenannte Isotope, der Elemente Strontium und Sauerstoff der Stoßzahn enthielt. Diese Daten wurden mit den Isotopen hunderter kleiner Nagetiere aus verschiedenen Ecken des US-Bundesstaates verglichen, deren Zähne ebenfalls im Museum gesammelt wurden. Die kleinen Tiere legen im Laufe ihres Lebens nur geringe Distanzen zurück.

Detailaufnahme des halbierten Stoßzahns.
Foto: JR Ancheta, University of Alaska Fairbanks

Über das männliche, vier Tonnen schwere Mammut konnte die Forschungsgruppe dabei etwa erfahren, dass es als Jungtier in einer Herde lebte und diese vor allem im Landesinneren umherwanderte. Jedoch veränderte sich seine Isotopensignatur im Alter von etwa 15 Jahren abrupt. Vermutlich wurde es zu diesem Zeitpunkt aus seiner Herde verstoßen, ein Verhaltensmuster, das auch bei heute lebenden Afrikanischen Elefanten manchmal beobachtet wird, die auch größenmäßig den vor etwa 4.000 Jahren weltweit ausgestorbenen Wollhaarmammuts ähneln.

Vor allem in der Folgezeit als Einzelgänger legte das Mammut weite Strecken zurück. Vermehrte Stickstoffisotope im letzten Winter seines Lebens deuten darauf hin, dass das Tier an Hunger litt und deshalb wahrscheinlich auch verstarb, nördlich des Gebirges der Brookskette. (sic, 15.8.2021)