Polizeibeamte begleiten einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug.

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Seit Tagen dreht sich die Debatte im Kreis. Mit jeder Stunde übernehmen die Taliban weitere Teile Afghanistans, die vollständige Machtergreifung ist nur noch eine Frage der Zeit. Millionen Menschen sind verzweifelt, haben Todesangst vor den Islamisten. Doch während erste, wenn auch zaghafte, internationale Vorstöße bekannt werden, besonders gefährdete Personen aufzunehmen – Kanada machte das Angebot, zumindest 20.000 Menschen eben dies anzubieten–, diskutieren wir in Österreich darüber, ob man Menschen genau dorthin schicken soll. Zumindest solange es geht, wie es Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) es im Interview mit der "Kleinen Zeitung" formulierte.

Die Debatte, ob Personen nach Afghanistan abgeschoben werden sollen, ist dabei nicht einmal neu; sie wird aufgrund der unsicheren und gefährlichen Lage seit Jahren geführt. Abschiebungen zumindest jetzt auszusetzen würde lediglich bedeuten, sich an menschenrechtliche Standards zu halten. Selbst wenn es gelingen sollte, Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen, riskiert man eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es ist fraglich, ob man so weit wirklich gehen will. Wiewohl es selbstredend ohnehin aktuell schwer vorstellbar ist, dass Österreich in näherer Zukunft alleine aus logistischen Gründen in der Lage sein wird, Abschiebungen zu organisieren.

Senden von Botschaften

Worum geht es also Innenminister Nehammer? Vermutlich um mehrerlei: um eine Botschaft an die Wähler, was Härte bei Asylfragen betrifft. Und um eine Botschaft an potenziell Schutzsuchende. Sie könnte lauten: Die Chancen, dass ihr hier bei uns in Österreich Hilfe erhaltet, sind gering. Ihr braucht euch also gar nicht erst auf den Weg machen. Würde man etwa aus Sicht eines Beraters versuchen, etwas Positives am aktuellen Zugang des Innenministers zu finden, man könnte seine Standhaftigkeit loben. Doch der andernorts ausgerufene Kampf gegen den Islamismus kann dann freilich nur noch als Zynismus verstanden werden – dann nämlich, wenn man sich, wenn auch nur theoretisch, damit abfindet, Personen genau einem solchen Regime auszuliefern. Zumindest den Preis der Glaubwürdigkeit gilt es dann zu zahlen.

Aber eigentlich sollten wir in der Debatte schon ganz woanders angekommen sein. Es sollte längst nicht mehr darum gehen, ob man Menschen den Taliban ausliefern sollte, sondern darum, sie dort rauszuholen. Darum, wie man dazu beiträgt, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, und darum, wie es möglich wäre, sichere Fluchtwege zu schaffen. Und darum, wie man jetzt mit den Schubhäftlingen in Österreich umgeht, die auf ihre – nicht mehr mögliche – Abschiebung nach Afghanistan warten. Davon sind wir aber weit entfernt. Also bleibt vorerst nur eines zu betonen, so reizlos das auch für manche klingen mag: Menschenrechte gelten für alle. Zumindest das wäre ein Minimalkonsens, auf den man sich aus demokratischer Perspektive einigen können sollte. (Vanessa Gaigg, 15.8.2021)