Helen (hinreißend selbstironisch, selbstbewusst und zugleich verletzlich gespielt von Anna Lena Bucher) spricht als Einzige Bühnendeutsch, rechts Josef Mohamed als Tom.

Foto: Victor Malyshev

Sie isst mittags Pizza und Pudding, er Sprossen und Spinat. Man sieht den beiden ihre Ernährungsgewohnheiten auch an. Klar, wer auf der Selbstoptimierungsskala die besseren Werte hat. Dafür hat sie den besseren Klischee-Schmäh: "Dicke sind fröhlich, wissen Sie doch." Bei den Tiroler Volksschauspielen Telfs heißt es an dieser Stelle "Mehrgewichtige" statt "Dicke". Politisch korrekter ist das zweifellos.

Nun bewegen sich die Gesellschaftssatiren des amerikanischen Erfolgsautors Neil LaBute sprachlich für gewöhnlich aber eher nicht in den Gefilden der politischen Korrektheit. Vielmehr werden einem die gemeinsten Gemeinheiten, die der Mensch so von sich zu geben pflegt, darin feste um die Ohren gehaut.

Abgesehen vom eingeschleusten Plädoyer fürs "Mehrgewichtige" bleibt das auch in Peter Lorenz’ Bearbeitung von LaButes Stück Fettes Schwein so. Der schwerwiegendere sprachliche Eingriff betrifft das Idiom: Lorenz hat den Text ins Tirolerische übertragen. Der Schönheitskult und der damit verbundene gesellschaftliche Druck treiben nun also auch mit kehligem "kkkhhha" unschöne Blüten. Und bestimmen sogar die Partnerwahl: Jemand Fetten, Schiachen, Faltigen oder sonst wie aus der Norm Fallenden an der Seite zu haben, könnte schließlich dem eigenen Image abträglich sein.

Außenseiterposition

Diese Sorge treibt Tom um, der in Helen zwar seine Traumfrau gefunden zu haben scheint, aber sie sich nicht als seine Freundin vorzustellen traut. Was werden die Kollegen angesichts der vielen Kilos sagen? Sie sagen: "Fettes Schwein".

Dass Helen (hinreißend selbstironisch, selbstbewusst und zugleich verletzlich gespielt von Anna Lena Bucher) als einzige Bühnendeutsch spricht, soll ihre Außenseiterposition unterstreichen. Tom (Josef Mohamed) nähert sich ihrer Sprache an und verfällt schließlich wieder in den Dialekt. Es brauchte diesen Kniff gar nicht, um die Brüche herauszuarbeiten, mitunter geht das Sprachgemisch sogar eher auf Kosten des Timings.

Wie das private Glück unter die Räder gesellschaftlicher Normvorstellungen gerät, macht Regisseur Lorenz in durchaus starken Szenen sicht- und spürbar, Rubén San Román Gámez hat dafür ein tolles Bühnenbild entworfen, hinter Schreibtischen aus gepresstem Zivilisationsmüll macht ein Zerrspiegel allerhand Monstrositäten sichtbar. Und wenn die Arbeitskollegen Jenny (Katarina Hauser) und Artur (Jakob Egger) zwischendurch als Musiker fungieren, geht das durchaus ans Herz, bei der Premiere allerdings mit ziemlich vielen schiefen Tönen. (Ivona Jelčić, 16.8.2021)