Eine Gebetsstunde im Parlament löste vergangenen Dezember empörte Kritik aus.

Foto: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Die erfolgreiche Lobbyarbeit gegen Frauen- und LGBTIQ-Rechte hat in Europa zugenommen. Trotzdem wird kaum hingeschaut, und die Bedrohung durch radikalkonservative christliche Netzwerke wird noch immer gern in die USA verräumt. Doch durch die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte Dokumente (DER STANDARD berichtete) zeigen nun, dass das Problem auch in Europa immer größer wird und Plattformen wie der World Congress of Families oder Citizen Go an Einfluss gewinnen. So harmlos ihr selbst formuliertes Anliegen klingt, sich "für das Leben, die Familie und Freiheit" einzusetzen, so klar ist, dass das nichts anderes als eine Chiffre für den Kampf gegen den Zugang auf Schwangerschaftsabbrüche und LGBTIQ-Rechte ist.

Auch ein im Juni veröffentlichter Bericht des Europäischen Parlamentarischen Forums, das Parlamentarierinnen zum Thema sexuelle und reproduktive Rechte vernetzt, zeigt, wie europäisch das Problem inzwischen ist: Mehr als die Hälfte der Geldflüsse für erzkonservative Organisationen kommen aus Europa – die anderen Finanziers sind die christliche Rechte in den USA und russische Oligarchen. Die Gelder aus Europa haben sich in den letzten Jahren verdreifacht. Das LGBTIQ-Gesetz in Ungarn, das für viele Bereiche verbietet, Homosexualität als Normalität darzustellen, und das faktische Abtreibungsverbot in Polen sind für diese Organisationen große Erfolge. Ideologisch alles weit weg von Österreich? Leider nicht.

Ohne "inhaltliche Verantwortung"

Auch Gudrun Kugler, Nationalratsabgeordnete der ÖVP, sei laut den geleakten Dokumenten für Citizen Go im Einsatz gewesen. Sie selbst sagt, der Kontakt hätte nur vor ihrer politischen Laufbahn und ohne "inhaltliche Verantwortung" stattgefunden. Eine angemessene Distanzierung von den Projekten erzkonservativer Lobbygruppen ist das freilich nicht. Kugler ist wie auch andere aus der ÖVP zudem sehr gern beim regelmäßigen Antiabtreibungsevent "Marsch des Lebens" dabei, wo man vordergründig auch nur für das "Leben" und "Familie" marschiert. Letztlich wollen die meisten Beteiligen aber genau das, wogegen sexuelle Minderheiten und Frauen nun in Ungarn oder Polen kämpfen: Einschränkung der Selbstbestimmung über ihren Körper sowie Heterosexualität und die traditionelle Familie als das einzig anerkannte Lebensmodell.

Die Arbeit von fundamentalchristlichen Organisationen hat längst den Fuß in der Tür zur Mitte der Gesellschaft. (Beate Hausbichler, 16.8.2021)