Durch die Klimaerwärmung sind vor allem die Atemwege belastet, wegen mehr bodennahem Ozon, Feinstaub und längerer Allergiesaison. Aber es gibt viele weitere Gesundheitsrisiken, die uns gar nicht bewusst sind.

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Spricht man von der Klimaerwärmung und ihren Auswirkungen, denkt man zuallererst an Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Murenabgänge, zunehmende Hitzeperioden oder Waldbrände fallen einem ein. Solche Ereignisse können direkte Folgen für die Gesundheit der Betroffenen haben, können Gefahr für Leib und Leben sein und als Stressfaktoren lange nachwirken.

Doch es gibt auch andere, indirekte Folgen, die wir gar nicht so richtig merken, die aber schleichend und langfristig die Gesundheit sehr stark beeinträchtigen können. Das geht von der Ausbreitung bei uns nicht präsenter Infektionskrankheiten über steigende Atemwegserkrankungen bis zu einer verstärkte Ozonbelastung durch mehr Hitzetage – mit zum Teil unbekannten Auswirkungen.

"Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, es gibt so viele Folgen der Klimakrise, die mit der Gesundheit zu tun haben", sagt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner am Zentrum für Public Health der Med-Uni Wien und Landschaftsökologe. Denn sie sind so vielfältig und so breit gestreut, dass eine Auflistung beinahe unmöglich scheint.

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Eine ganz wesentliche und direkte Auswirkung sind die zunehmenden Hitzetage. Besonders gefährdet davon sind ältere und chronisch kranke Menschen, unter anderem weil sie eine geringere Fähigkeit zu schwitzen haben und oft zu trinken vergessen, deshalb leichter überhitzen auch schneller Kreislaufprobleme haben. Im Extremfall kann eine anhaltende Hitzeperiode sogar zum Tod führen. In Österreich etwa wurden im Jahr 2018 550 Hitzetote registriert, fast doppelt so viele wie Verkehrstote, wie aus Daten der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) hervorgeht.

Doch auch fitte und gesunde Menschen fühlen sich durch heiße Phasen belastet. Das haben diesen Sommer wohl alle Menschen in Österreich zu spüren bekommen, aber auf unterschiedliche Weise. In der Stadt etwa leiden viele Menschen darunter, dass es auch in den Nächten nicht mehr abkühlt. "Und spätestens ab 27, 28 Grad in den Innenräumen ist der Schlaf einfach nicht mehr erholsam, was langfristig die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt", betont Hutter.

Anders wiederum wird die zunehmende Hitze am Land wahrgenommen: "Dort können die Menschen zwar in der Nacht besser schlafen, weil es abkühlt. Aber Trockenheit und Dürreperioden gefährden die Ernten, Bauern können womöglich nicht mehr von ihrer Arbeit leben. Man kann zwar hitzeresistentere Getreidesorten anbauen, aber die Anpassung an die steigenden Temperaturen ist endenwollend. Das wiederum nimmt der Städter nicht direkt wahr, im Supermarkt gibt es ja immer alles zu kaufen."

Diese individuell unterschiedlichen Wahrnehmungen und Auswirkungen der Klimaerwärmung sind wohl auch ein Grund dafür, warum die Umsetzung von Gegen- bzw. Schutzmaßnahmen manchmal so schwierig ist. Schließlich sind die meisten Menschen am ehesten dort bereit, etwas zu ändern, wo die Folgen sie unmittelbar treffen. Und das ist eben in sehr unterschiedlichem Ausmaß der Fall.

Veränderte Lebensräume

Die zunehmenden Temperaturen haben aber auch Auswirkungen, die wir nicht darauf zurückführen, weil sie nicht mit Hitzetagen korrelieren. So verbreiten sich zum Beispiel Infektionskrankheiten anders bzw. stärker, weiß Hutter: "Die Lebensräume der Überträger verschieben sich. Heimische Arten wie die Zecken, die FSME oder Borreliose übertragen können, dringen in höhere Lagen und weiter in den Norden Europas vor, weil sich der Mischwald, wo sie vorwiegend leben, in diese Richtungen ausdehnt. Außerdem siedeln sich bereits bestimmte 'exotische' Stechmückenarten, die als Krankheitsüberträger fungieren können, in unseren Breiten an." Beispiele dafür sind das Westnilfieber oder Malaria, wo es in Europa schon zu vereinzelten Ausbrüchen gekommen ist.

Das gilt übrigens auch für Pflanzen, das spüren besonders Pollenallergiker. Die Saison beginnt durch die steigenden Temperaturen früher und dauert länger. Diese Beeinträchtigungen sind nicht zu unterschätzen, immerhin beeinflussen sie die Lebensqualität enorm. Außerdem breiten sich ursprünglich nichtheimische Arten wie das Ragweed auch in Österreich immer weiter aus.

Diese Vorgänge beschreibt auch ein Bericht des Austrian Panel on Climate Change (APPC). Die "Düngewirkung" von CO2 und Stickoxiden verstärkt diesen Prozess noch: Steigende Kohlendioxidwerke in der Luft können das Pflanzenwachstum befördern. Außerdem können Luftschadstoffe wie Ozon, Stickoxide oder Feinstaub Pollen noch aggressiver machen.

Eine weitere Folge von Hitzeperioden und UV-Strahlung ist die höhere Ozonbelastung und die Zunahme von Sauerstoffradikalen. Und durch den Klimawandel wird auch die Verteilung und Umwandlung von Luftschadstoffen in der Atmosphäre beeinflusst. Insgesamt führen diese aggressiven Schadstoffe zu einer Zunahme oder einer Verschlimmerung von Atemwegserkrankungen wie etwa chronisch obstruktiven Erkrankungen – Stichwort COPD und Asthma.

Langzeitfolgen von Katastrophen

Doch nicht nur körperlich, auch psychisch kann das Klima zur Belastung werden. Ein Beispiel dafür sind Flutkatastrophen, wie sie vor kurzem in Deutschland, quer durch Europa und auch in Österreich zahlreiche Todesopfer gefordert haben, betont Hutter: "Die akute Krise hat man relativ rasch unter Kontrolle gebracht, aber man darf nicht vergessen, was solche Ereignisse mit der Psyche machen. Das wird meiner Meinung nach stark unterschätzt."

Denn aus solchen Erlebnissen können sich posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Es gibt bereits Ortschaften, wo zahlreiche Familien abgesiedelt werden mussten, weil sie in Überschwemmungsgebieten gelebt haben. Das entwurzelt diese Menschen und schürt die Angst vor ähnlichen Ereignissen. Insofern kann die Klimakrise als chronischer, ständig präsenter Umweltstressor beschrieben werden.

Und es gibt natürlich auch toxische Langzeitfolgen solcher Überschwemmungskatastrophen. Denn die Fluten bringen nicht nur Dreck, sondern auch – wenn Altlasten oder Heizöltanks überflutet werden – diverse Giftstoffe mit sich. Die fressen sich dann in den überschwemmten Häusern in die Wände und verschmutzen das Grundwasser. Das bringt Schadstoffe und letztlich auch Schimmel in die Wohnungen – über all diese Probleme spricht man aber kaum.

Öffentliches Engagement

Diese vielfältigen Auswirkungen bringen natürlich zahlreiche Herausforderungen für unser Gesundheitswesen mit sich, erklärt Hutter: "Die Hitzetage werden noch häufiger, bis zum Jahr 2100 wird eine Verzehnfachung prognostiziert. Da ist neben dem öffentlichen Gesundheitswesen auch der klinische Bereich unseres Gesundheitssystems immer mehr gefordert. Man muss Ressourcen für die Versorgung der betroffenen Menschen bereitstellen. So geht es auch um einfach klingende organisatorische Maßnahmen. Eine Kernfrage ist etwa, wie man die hitzegefährdeten Personen auffindet und rechtzeitig versorgt. Und auch das Krankenhauspersonal geht auf Urlaub, deshalb sind im Sommer Stationen oft dünner besetzt, gerade dann, wenn die Hitzewellen 'zuschlagen'. Da gibt es noch vieles, was umorganisiert werden muss."

Es fehlt aber vielfach noch an Bewusstsein für diesen Problemkreis. Deshalb betont Hanns-Christian Gunga, stellvertretender Direktor am Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten an der Charité Berlin: "Das Thema Klimawandel und Gesundheit muss in die Lehrpläne der Universitäten, Fachhochschulen und Pflegeschulen aufgenommen werden, und für staatliche Institutionen braucht es übergreifende Hitzeschutzpläne."

Den besten Weg, um hitzegefährdete Personen ausfindig zu machen, sieht Henny Annette Grewe, Professorin am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda, über die Hausärzte: "Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte könnten eine Schlüsselstellung in der Prävention hitzebedingter Gesundheitsgefährdungen einnehmen, weil sie wissen, welche ihrer Patientinnen und Patienten welche Krankheiten und damit Risikofaktoren haben, wer welche Medikamente einnimmt, wo diese Menschen wohnen und, im Idealfall, wie es um deren soziale Netzwerke bestellt ist."

Mehr Eigeninitiative

Aber auch jede einzelne Person kann etwas tun, um die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen. Das Gute ist, dass solche Handlungen einen doppelt positiven Effekt haben, auf die eigene Gesundheit und auf die gesamte Klimasituation. Und sie sind sogar relativ simpel: gesunde Ernährung und mehr Bewegung.

Beim Essen setzt Hutter auf biologische, regionale und saisonale Produkte: "Das ist die optimale Dreifaltigkeit der Ernährung." Denn es steht außer Frage, betont er, dass sich eine ökologische, biologische Landbewirtschaftung im Vergleich zur konventionellen positiv auf das Klima und speziell auf die Biodiversität auswirkt.

Ebenso positiv wirkt sich die Reduktion des Fleischkonsums aus. Es kommt zu weniger Methanemissionen, Abgase werden reduziert durch weniger Transporte. Gleichzeitig profitiert der Organismus von pflanzlich dominierter Ernährung, die Vitamine, Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe liefert. Modernen Zivilisationskrankheiten kann so vorgebeugt werden.

Doppelte Wirkung

Und auch mehr Bewegung tut beiden Seiten gut. Denn weniger motorisierte Fahrten bedeuten weniger Schadstoffe und CO2-Ausstoß, und die Gesundheit profitiert auch davon. Immerhin bewegt sich nur etwa ein Drittel der Menschen regelmäßig so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihren Richtlinien empfiehlt: zumindest 150 Minuten pro Woche im moderaten oder 75 Minuten im intensiven Bereich. Dabei betont Hutter: "Diese regelmäßige Bewegung hat einen gesundheitlichen Vorteil, der praktisch mit keinem anderen Medikament zu erreichen ist."

Man muss deshalb nicht gezwungenermaßen zur Sportskanone werden, Bewegung lässt sich ganz leicht in den Alltag integrieren, durch flotte Spaziergänge, Freizeitaktivitäten wie Schwimmen oder indem man mit dem Rad in die Arbeit fährt: "Ich bekomme immer wieder Anfragen zum Radfahren in der Stadt, ob das durch die Abgase nicht ungesund sei. Tatsächlich ist es aber so, dass der Innenraums eines Pkws zu den am stärksten mit ultrafeinen Partikeln belasteten Räumen gehört. Die Abgase machen nämlich auch vor geschlossenen Fenstern und Luftfiltern nicht halt. Es geht einfach darum, sich beim Radfahren klug zu verhalten", meint Hutter.

Das bedeutet, sich an der Ampel nicht neben einen Auspuff zu stellen oder direkt hinter einem Pkw zu fahren. Besser ist es, so nah wie möglich am Fahrbahnrand zu bleiben oder, wo möglich, auf dem Fahrradweg zu fahren. Dort reduziert sich die Anzahl an Partikeln bereits um die Hälfte. Ganz entkommen kann man ihnen nicht, das ist klar. Deshalb sollte man auch nicht "außer Atem" radeln. Moderat in die Pedale treten und sich nicht überanstrengen ist deshalb angesagt. So kommt man dann auch leicht auf die empfohlenen 150 Minuten Bewegung. (Pia Kruckenhauser, 22.8.2021)