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R. Kelly Anfang August vor dem New Yorker Gericht.

Foto: Reuters

Jahrelang wirkte R. Kelly unangreifbar auf dem Pop-Thron. Hits wie "I Believe I Can Fly", Alben an der Spitze der Charts, Kollaborationen mit Michael Jackson, Whitney Houston, Mariah Carey und Britney Spears, ausverkaufte Welt-Tourneen und Grammys – Kelly gehörte lange zu den erfolgreichsten Musikern. Doch der Sänger ist tief gefallen: Am Mittwoch geht ein Prozess unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn in New York mit den Auftaktplädoyers in die heiße Phase.

Bereits zu seinen erfolgreichsten Zeiten kamen immer wieder Anschuldigungen und Berichte über sexuellen Missbrauch durch den 1967 in Chicago geborenen Robert Sylvester Kelly an die Öffentlichkeit. Seine später annullierte Kurz-Ehe mit der damals erst 15 Jahre alten Sängerin Aaliyah Mitte der 90er-Jahre sorgte für Aufsehen, wurde aber zunächst nur hinter vorgehaltener Hand kritisiert, viele andere Berichte weitgehend ignoriert. Mehrere Gerichtsverfahren wegen Geschlechtsverkehrs mit Minderjährigen wurden außergerichtlich beigelegt, in einem Prozess wegen des Besitzes von Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs wurde Kelly 2008 freigesprochen. Doch dann wurde Kelly im Sommer 2019 erneut festgenommen – als er in Chicago gerade mit seinem Hund "Believe" spazieren ging.

Der Festnahme vorausgegangen waren immer mehr Vorwürfe, die sich um 2017 zeitgleich mit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Belästigung zusammenballten. Gemeinsam mit einem Team von Angestellten soll Kelly jahrelang Burschen, Mädchen und Frauen zum Sex gezwungen haben, auf seinen Anwesen einen "Sex-Kult" betrieben und auch Minderjährige festgehalten, erpresst und sexuell ausgebeutet haben. Seine zweite Ehefrau Andrea, mit der er zwischen 1996 und 2009 verheiratet war, gibt an, ihr Ex-Mann habe sie emotional, körperlich und sexuell missbraucht, sie habe um ihr Leben gefürchtet. Seine erste Ehefrau Aaliyah starb 2001 bei einem Flugzeugabsturz, auch diese Beziehung wird in den Anschuldigungen immer wieder thematisiert. Alles zusammen fasste dann 2019 die Aufsehen erregende Dokumentation "Surviving R. Kelly".

"Wir haben zu lange weggeschaut", kritisierte Sänger-Kollege John Legend nach der Ausstrahlung von "Surviving R. Kelly", in der er auch zu Wort kommt, sich selbst und die Musikindustrie. Die Dokumentation wird zum Anfang vom Ende der Karriere von R. Kelly: Immer mehr Stars distanzierten sich daraufhin von dem Sänger, zudem Radiosender, Streaming-Dienste und schließlich auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört. 2016 brachte Kelly sein bisher letztes Album heraus, inzwischen ist er nach Angaben seiner Verteidiger quasi mittellos. Der Musiker hat alle Vorwürfe immer wieder zurückgewiesen und seinen Kritikern eine Rufmord-Kampagne vorgeworfen.

Seit seiner Festnahme 2019 sitzt Kelly im Gefängnis, zunächst in Chicago, dann in New York. Laut Anklageschrift muss sich der Musiker unter anderem wegen Erpressung und sexueller Ausbeutung Minderjähriger verantworten. Eigentlich hätte sein Prozess schon im Mai 2020 starten sollen, aber in der Corona-Pandemie wurde der Termin immer weiter verschoben. Mehrfach versuchte der 54-Jährige die Pandemie auch als Anlass zu nehmen, auf Kaution vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden, diese Anträge wurden aber abgelehnt.

Nun ist an dem Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn in der vergangenen Woche eine Jury gefunden worden: Sieben Männer und fünf Frauen wurden von Richterin Ann Donnelly eingeschworen, zudem wurden sechs Ersatzjuroren ausgesucht. Kelly verfolgte die Jury-Auswahl im Anzug gekleidet am Gericht, äußerte sich aber zunächst nicht. Mit den Auftaktplädoyers geht der Prozess nun ab Mittwoch in die heiße Phase.

Das Verfahren soll mehrere Wochen dauern. Bei einer Verurteilung könnte dem Sänger eine jahrzehntelange Haftstrafe drohen – und auch damit wäre es für Kelly immer noch nicht vorbei. In Chicago und Minnesota liegen ebenfalls Anklageschriften vor. (APA, 17.8.2021)