Eine Strafaufhebung wegen "tätiger Reue" kam für das Straflandesgericht Wien nicht infrage.

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Sie habe "alles für ihren Sohn" getan, betont Frau E. Die 49-jährige Chefbuchhalterin eines Wiener Nobelhotels soll zehn Jahre lang regelmäßig Geld vom Konto des Unternehmens abgezweigt haben. Der Schaden: mehr als vier Million Euro. Bereits im Ermittlungsverfahren zeigte sich die Frau geständig. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte sie nun zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, ein Jahr davon unbedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Frau, die seit 1990 im Unternehmen arbeitete, hatte ab 2010 immer wieder Geld vom Hotelkonto auf ihr eigenes überwiesen. Dabei ging sie stets nach demselben Muster vor: Sie ließ Überweisungen – zumeist innerhalb des Konzerns – zunächst von der Geschäftsführung genehmigen. Vor der Zahlungsabwicklung änderte sie allerdings die Kontonummer. Zwischen 2010 und 2021 führte sie rund 350 Überweisungen auf ihr Privatkonto durch – insgesamt 4.062.000 Euro.

Großteil ging an Sohn

Ihr Sohn habe sie regelmäßig um Geld gebeten, erklärt die Angeklagte, die sich vor Gericht voll geständig zeigt. Er habe Schulden bei anderen Leuten gehabt und sei bedroht worden. Da sie ihm glaubte und Angst hatte, half sie immer wieder aus. Er sei aufgrund der schwierigen familiären Situation zunächst in die falschen Kreise geraten und dann in die Kriminalität abgerutscht. "Er hat von drohenden Drogendealern und Schutzgeldzahlungen erzählt und ist mit blauen Flecken nach Hause gekommen", sagt die Angeklagte. "Ich wollte ihn immer zufriedenstellen. Er hat mich sehr oft angelogen, weil er gesehen hat, dass ich schwach bin."

Fast das gesamte Geld sei im Laufe der Zeit an ihren Sohn gegangen. Der Staatsanwalt will das nicht ganz glauben: Als E. im Jahr 2010 die ersten Überweisungen tätigte, war ihr Kind erst zwölf Jahre alt. "Zunächst waren es ja nur kleine Beträge", sagt die Angeklagte. Dann wurde es immer mehr. Ihr Sohn habe einen "extrem verschwenderischen Lebensstil" gehabt, sei nach Dubai geflogen und habe ausufernde Partys gefeiert.

"Multiorganversagen" beim Luxushotel

Erst im Jänner 2021, knapp zehn Jahre nach der ersten Überweisung, fiel der Betrug auf. Durch Zufall: Eine Bank hatte auf dem Konto eines Freundes des Sohnes ungewöhnliche Transaktionen festgestellt und gegenüber den Behörden einen Geldwäscheverdacht geäußert. Als die Geschäftsführung des Hotels davon Wind bekam, zitierte sie ihre Mitarbeiterin ins Büro. Diese war sofort geständig – wohl auch deshalb, weil sie jahrelang damit rechnete aufzufliegen.

"Ich habe darauf gewartet, dass das jemandem auffällt. Ich habe mich selbst gewundert", erzählt sie. Innerhalb des Unternehmens habe sie von der großen Vertrauensbasis profitiert, aber auch die externen Wirtschaftsprüfer hätten nie etwas beanstandet. Dass die falschen Überweisungen so lange nicht aufgefallen sind, versteht auch der Hotel-Geschäftsführer nicht. Vor Gericht spricht er von einem "Multiorganversagen" innerhalb des Unternehmens.

Fußfessel möglich

Dem Antrag auf Strafaufhebung wegen "tätiger Reue" – die Angeklagte habe sofort gestanden und sich zur Rückzahlung verpflichtet – kommt das Gericht nicht nach. Es verurteilt die Frau wegen Untreue nicht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon ein Jahr unbedingt. Möglich wäre bei diesem Strafausmaß auch eine Fußfessel. Erschwerend wertet der zuständige Schöffensenat die lange Dauer des Delikts und die hohen Beträge. Mildernd wirkt sich aus, dass E. ein reumütiges Geständnis ablegte und sich zur Rückzahlung verpflichtete. Eine Strafaufhebung wegen "tätiger Reue" scheitere aber schon deshalb, weil E. den Schadensbetrag realistischerweise nie zur Gänze wird zurückzahlen können, erklärt der Richter.

Zwischen der Frau und ihrem ehemaligen Arbeitgeber dürfte die Sache bereits erledigt sein: Das Dienstverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst. Die Mitarbeiterin hatte gleich nach der Schule im Betrieb begonnen und war insgesamt mehr als 30 Jahre im Unternehmen beschäftigt. Dort galt sie als beliebte und verlässliche Arbeitskraft. (Jakob Pflügl, 17.8.2021)