Die "Bild"-Zeitung startet kommenden Sonntag mit 24-Stunden-Programm im TV.

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Berlin – Deutschlands bekannteste Boulevardzeitung "Bild" gibt es künftig auch als Fernsehen. Ab Sonntag (22. August), wenige Wochen vor der Bundestagswahl, tritt die journalistische Marke mit einem 24-Stunden-Programm in Konkurrenz zu den privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Sendern. Es geht um Reichweite und um einen Markt, der mit Fernsehwerbung Milliarden-Umsätze erzielt. In der Branche fragt man sich: Wie stark wird der Sender Bild die Fernsehlandschaft verändern?

Frei und unverschlüsselt empfangbar

Einen Vorgeschmack auf das Programm, das frei und unverschlüsselt empfangbar sein wird, gibt es seit Monaten. Das "Bild"-Online-Angebot wurde mit Videoinhalten verstärkt. Das journalistische Flaggschiff des Axel-Springer-Konzerns setzte einen Schwerpunkt auf stundenlange Live-Berichterstattung. Beispiele: Die Flutkatastrophe in Westdeutschland, die Lage in Afghanistan, die Treffen der Länderchefs zur Corona-Pandemie, aber etwas auch ein Interview mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Politiktalk am Sonntagabend

Das Politik-Talkformat ist an Sonntagen am Abend zu sehen: Sendezeit sonntagabends, also nach der klassischen "Tatort"-Zeit und genau dann, wenn in der ARD die Talkshow von Anne Will läuft. Dass es die Marke "Bild" mit dem Konkurrenzkampf ernst meint, zeigt sich auch daran, dass der TV-Sender um 20.15 Uhr einen weiteren Politik-Talk ausstrahlen wird, der sich um die Schlagzeilen und Themen des Tages dreht – bis zur Bundestagswahl vorerst montags bis freitags. Zu dieser Zeit läuft traditionell das Abendprogramm mit Shows, Dokus, Krimis und Spielfilmen der anderen Sender an. Es ist eine Zeit, zu der besonders viele vor dem Fernseher sitzen – die Prime Time.

Programmchef Strunz: "Verstehen uns als Geschichten-Sender"

Bild-TV-Programmchef Claus Strunz sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir verstehen uns weder als ein Vollprogramm noch sehen wir uns in der Gruppe der Nachrichtensender. Wir selber verstehen uns als ein eigenes Genre – als Geschichten-Sender." Der 54 Jahre alte Journalist und Moderator, der auch die Produktion des Sat.1-"Frühstücksfernsehens" verantwortet, sieht eine Marktlücke. "Die Nachrichtensender würden immer eine Chronistenpflicht für sich in Anspruch nehmen und sind sehr stark auf Politik und Wirtschaft konzentriert." Für den neuen Sender empfinde man keine breit gefächerte Chronistenpflicht.

"Bild Live", dann Dokus

Herzstück des Programms wird von Montag bis Freitag die Sendung "Bild Live" von 9.00 bis 14.00 Uhr sein. Programmchef Strunz erläuterte: "Wir werden diese Strecke als Ankerplatz benutzen, aber wir gehen danach nicht in den Doku-Schlummer." Zwar sende man Dokus, man sei aber quasi immer auf Live-Modus, wenn etwas Außergewöhnliches zu anderen Zeiten des Tages passiere. "So dass eine Sogwirkung entsteht und man den Sender am besten immer laufen lässt, weil man sonst etwas Wichtiges verpasst. Das ist die eigentliche Idee."

Der Senderstart fällt in eine Zeit, in der die privaten TV-Gruppen RTL in Deutschland und ProSiebenSat.1 ihre News-Angebote aufstocken. Sie warben dafür bekannte Journalisten von den ARD-Flaggschiffen "Tagesschau" und "Tagesthemen" ab. Auch für "Bild Live" hat es mit NDR-Mann Thomas Kausch und RTL-Frau Sandra Kuhn Moderatorenzugänge gegeben.

Springer hatte im Herbst 2019 angekündigt, dass in den drei Folgejahren insgesamt mehr als 100 Millionen Euro im Bereich News Media National und dabei vor allem in eine Live-Video-Strategie der Marke Bild fließen. Ende 2020 hieß es weiter, dass davon 22 Millionen Euro insbesondere in die Einstellung von 70 weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Ausbau des Programms investiert werden.

Crossmediale Reichweite

Die Auflage der gedruckten Zeitung ist rückläufig – das ist seit Jahrzehnten ein Trend in der gesamten Verlagsbranche. "Bild" ist zugleich immer noch das auflagenstärkste Blatt Deutschlands mit einer verkauften Auflage von mehr als 1,2 Millionen (IVW, zweites Quartal, mit "B.Z."). Mit TV kommt ein neuer Ausspielweg hinzu, neben Print und Online. Die Reichweite, auf die die Marke Bild crossmedial kommt, wird vom Unternehmen selbst auf mehr als 40 Millionen Menschen im Monat beziffert.

Springer war 2019 eine strategische Partnerschaft mit dem US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) eingegangen und zog sich dazu auch 2020 von der Börse zurück. Ziel ist, schneller in den digitalen Geschäften zu wachsen. Mit Senderstart hat Springer mit Sitz in Berlin dann drei TV-Sender im Portfolio: Bild, Welt und N24 Doku. (APA, dpa, 17.8.2021)