Neue Hardware und Software erstmals ausprobieren können – das war und ist der Reiz von Spielemessen.

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"Landwirtschafts-Simulator 22", "eFootball" (ehemals "PES") und "Syberia: The World Before": In den Ankündigungen für die diesjährige Gamescom, die ausschließlich digital stattfinden wird, finden sich nicht gerade die ganz großen Namen. Warum aber macht man dann überhaupt einen digitalen Event über mehrere Tage, wenn es kaum etwas Neues gibt und der Kunde ohnehin nicht mit Gleichgesinnten zum Gaming-Mekka der letzten Jahre pilgern kann?

Strahlkraft

2019 fand die letzte Gamescom in Köln statt. Auf rund 220.000 Quadratmetern strömten über 370.000 Besucher sechs Tage lang in das Messezentrum, um die neuesten Spiele anzutesten und mit Freunden eine gute Zeit zu haben. Im vergangenen Jahr wurde der Event – wie so viele andere – abgesagt. 2021 will man zumindest digital ein Feuerwerk veranstalten.

"Das ganze Team der Gamescom arbeitet seit Monaten hart daran, die Gamescom auch 2021 zu einem der besten digitalen Events des Jahres zu machen – mit mehr Strahlkraft, spannenden Games und unter anderem einem komplett neu aufgesetzten zentralen Hub 'Gamescom Now'", erklärt Felix Falk von der Interessenvertretung Game-Verband in einer Presseaussendung. Doch leider: Neben "spannenden Games" ist auch von der vollmundig angepriesenen Strahlkraft bisher wenig zu bemerken. Wenig Vorberichterstattung, keine Gerüchte, die eine große Ankündigung vorhersehen wollen.

Die Pandemie hat aus den zwei größten und wichtigsten Messen der Gaming-Industrie, E3 und Gamescom, Abziehbilder ihrer selbst werden lassen. Wichtige Protagonisten wie Sony und Nintendo kochen in Form eigener Livestreams ihr digitales Süppchen, und auch andere große Publisher halten sich von den Messen fern. Nur Microsoft ist immer und überall mit einer eigenen Show mit am Start. Wenn dann aber vor dem Event der Xbox-Marketing-Chef Aaron Greenberg bereits die Erwartungshaltung mit Sätzen wie "Wir haben keine großen Überraschungen" nach unten drückt, darf man sich schon fragen, was der ganze Zirkus eigentlich soll.

Viele Besucher jammerten über die langen Schlangen und die noch längeren Wartezeiten auf der Messe selbst. Am Ende war es allerdings immer eine große Party!
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Voll digital

Der von Falk angesprochene Hub "Gamescom Now" ist mit Sicherheit eine interessante Neuerung, der man sich ohne Pandemie wohl nicht so stark gewidmet hätte. Alle Ankündigungen, Videos und Livestreams werden dort gesammelt für den Nutzer aufbereitet. Wer sich registriert, bekommt die Möglichkeit, Rabatt-Codes für Gamescom-Partner zu ergattern. Eine digitale Schnitzeljagd läuft bereits auf der Plattform, wo Nutzer unter anderem ihre Gamescom-Erinnerungen teilen sollen. Schon jetzt füllt sich etwa Twitter unter dem Hashtag "GCmemories" mit Fotos von vergangenen Jahren. Die meisten begleitet Wehmut, aber auch die Hoffnung, dass man sich bald wieder in Köln begegnet.

Bis zu einem Wiedersehen vor Ort ist aber zumindest noch ein Jahr Zeit. Dieser Tage kann man sich maximal auf die Livestreams vorbereiten, die am 24. August um 19 Uhr losgehen werden. Auf allen gängigen Social-Streaming-Diensten wird hier Xbox mehr über "Forza Horizon 5" und "Halo: Infinite" erzählen. Am nächsten Tag folgt die "Opening Night", in der ab 20 Uhr der Moderator Geoff Keighley wie im Vorjahr ein paar Titel vorstellen und Entwickler interviewen wird. Offiziell dauert der Event von 25. bis 27. August, voll mit Livestreams und diversen Online-Angeboten. Bereits am 23. August startet die Devcom, eine für Entwickler spannende Konferenz, die ebenfalls online stattfinden wird und im Gegensatz zum Gamescom-Programm Eintritt kostet.

Das klingt alles sehr nach dem Programm des Vorjahres, das auch damals keine Begeisterungsstürme auslöste. Wie auch, wenn der Kern der Gamescom schon seit der Gründung 2009 der Event selbst war. Erschwerend kommt in diesem Jahr hinzu, dass unzählige große Titel bereits auf 2022 verschoben wurden – das heißt: Schon allein die Vorzeichen, in diesem Jahr eine überraschende Show zu veranstalten, die über die fehlende Messe vor Ort hinwegtrösten könnte, stehen schlecht.

Vorfreude erlaubt

Die Messe in Köln stand vor Corona für hunderttausende Videospieler, die gemeinsam eine Party feiern wollten. Wenn man diese Party subtrahiert, bleibt tatsächlich wenig über. Überspitzt könnte man sagen: Eine digitale Spielemesse macht keinen Sinn. Da kann man im Vorfeld Livestreaming romantisch als "Lagerfeuer der digitalen Zeit" benennen, aber am emotionalen Ergebnis ändert das wenig.

Sehen wir dieses Jahr deshalb als hoffentlich letztes Übergangsjahr, bis wir wieder in überfüllte, von Schweiß und Freudentränen durchtränkte Hallen drängen dürfen. Bis dahin schauen wir Livestreams und hoffen irgendwie doch auf die eine oder andere Überraschung. (Alexander Amon, 18.8.2021)