Nur 30 Euro erhielten Orchestermusiker für ihren TV-Auftritt bei den Feierlichkeiten zu "100 Jahre Burgenland". Dagegen erhob ein Popmusiker nun seine Stimme: Alexander Köck, Sänger der Band Cari Cari.

Andreas Jakwerth

Ausgerechnet im SPÖ-regierten Burgenland hat sich nun eine Debatte um Lohndumping im Kulturbereich entzündet. Nachdem vorige Woche bei den Seefestspielen Mörbisch Sänger ihre geringen Gagen beklagt hatten, legte beim Eröffnungsfest zur Feier "100 Jahre Burgenland" der Sänger der Mörbischer Band Cari Cari, Alexander Köck, nach: Er unterbrach bei der im ORF-Livestream übertragenen Show seinen Auftritt, um die 30-Euro-Gage zu bekritteln, die die auftretenden Orchestermusiker, überwiegend Studierende, bekommen hätten. Es kam zum Eklat.

STANDARD: Warum war Ihnen der Protest ein solches Anliegen?

Köck: Wir wussten schon im Vorfeld, dass die Gagen geringer sein würden als üblich, und wollten schon fast absagen. Gleichzeitig ist aber Geld für zwei Intendanten in Mörbisch sehr wohl da. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat, als ich erfahren habe, dass die Orchestermusiker nur 30 Euro bekommen. Dabei ist das kein rein burgenländisches Problem. Es wird immer wieder versucht, Musiker auszunutzen. Ich habe mir gedacht: Wenn man sich das im Hinterzimmer ausmacht, wird weniger dabei herauskommen, als wenn man öffentlich den Finger in die Wunde legt.

STANDARD: Wie viel Gage haben Sie für den Auftritt bekommen?

Köck: Uns wurden 2.000 Euro angeboten, und wir konnten noch auf 3.000 Euro nachverhandeln – was prinzipiell in Ordnung ist. Davon müssen wir aber auch Techniker, Agenturprovision und Mitmusiker bezahlen. Es ging mir auch nicht um uns, sondern um die Musiker, die an diesem Abend eine weit schlechtere Verhandlungsposition hatten und deshalb abgespeist wurden. Die Schere geht immer weiter auseinander.

STANDARD: Wie wichtig sind Liveauftritte für Ihr Auskommen?

Köck: Man verdient über Plattenverkäufe und Streaming kaum etwas. Wir finanzieren also über Liveauftritte alles andere: Bookingagenturen, Musikvideos, Promotion, die Crew, Studioaufnahmen, Technik. Von einer 2.000-Euro-Gage bleiben uns Musikern vielleicht 300 Euro.

STANDARD: Und Corona hat jetzt auch dem Livegeschäft den Stecker gezogen. Wie gehen Sie damit um?

Köck: Wir haben vor Corona zu 80 Prozent im Ausland gespielt. Und die Festivalgagen, die wir für 2020 budgetiert hatten, haben sich nun mit der Pandemie oft halbiert. Durch den harten Wettbewerb und die Verschiebungen passiert noch extremeres Preisdumping. Daher hätte ich es umso wichtiger gefunden, wenn bei "100 Jahre Burgenland", einem Event der öffentlichen Hand, dagegengehalten wird.

STANDARD: Der Moderator Alfons Haider, Musikintendant im Burgenland, meinte, die Veranstaltung sei nicht das Forum, wo man solche Dinge diskutiere. Ärgert es Sie, wenn man diese Fragen hinter verschlossenen Türen klären will?

Köck: Mir war bewusst, dass ich einige Leute verärgern werde. Aber ich sehe es als Pflicht von Künstlern, Missstände öffentlich zu äußern. Alle Künstler, die dort waren, haben sich bei mir bedankt. Mein Ziel war es, das Problem sichtbar zu machen und die Diskussion anzustoßen. Ich lasse als Begründung auch nicht gelten, dass die Orchestermusiker Studierende und keine Profis gewesen seien. Viele von denen sind schon fertig oder kurz vorm Abschluss. Die investieren seit 20 Jahren in ihre Ausbildung. Das sind Profis.

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STANDARD: Erst letzte Woche gab es bei den Seefestspielen Mörbisch eine Protestaktion von Sängern, die unter anderem ihre zu geringen Gagen beklagt haben. Was läuft schief in der burgenländischen Kulturpolitik?

Köck: Das kann ich so pauschal nicht beurteilen. Nach allem, was ich höre, sind die Gagen in Mörbisch aber alles andere als fürstlich, während Managementhonorare unangetastet bleiben. Im Bereich der Klassik dürfte das Gagengefälle mittlerweile extrem groß sein.

STANDARD: Landeshauptmann und Kulturverantwortlicher Hans Peter Doskozil (SPÖ) setzt sich ansonsten prominent für Mindestlöhne ein. Orten Sie Doppelmoral?

Köck: Der Landeshauptmann hat auf meinen Protest, wie ich finde, gut reagiert und gemeint, er werde sich darum kümmern. Ich glaube nicht, dass es in seinem Sinn sein kann, dass in einem sozialdemokratisch regierten Land mit Mindestlohn so etwas gang und gäbe ist.

STANDARD: Wie gegensteuern? Wien hat sich jetzt zum Beispiel ein Vorbild an Berlin genommen und zahlt nur noch Subventionen an Empfänger, die festgelegte Mindesthöhen bei Gagen einhalten. Hilft das?

Köck: Das ist ein guter Ansatz, um ein "race to the bottom" zu verhindern. Es muss aber auch nachvollziehbar sein, wer warum wofür wie viel Geld bekommt und wer das entscheidet. Eine hohe Rotation in Förderjurys mit Menschen mit verschiedenen Hintergründen würde mehr Ausgewogenheit bringen und Freunderlwirtschaft verhindern.

STANDARD: Der Volksmund sagt oft: Die Künstler sollen sich nicht beschweren, denn Pflegekräfte und andere trifft es noch viel härter.

Köck: Ja, aber viele haben auch ein völlig falsches Klischeebild vom Künstler: Die rauchen in der Früh einen Ofen, machen den ganzen Tag nichts und am Abend gehen sie ins Studio oder spielen ein Konzert. Das ist natürlich Unsinn. Das Verständnis dafür, dass der Künstlerberuf auch ein harter sein kann, dass er oft wie ein Unternehmen funktioniert, fehlt. Für mich ist unser Protest aber auch nur ein Sinnbild für die Gesamtsituation: Für einen Pfleger ist es nicht möglich, dass er 100 Euro mehr verdient, und gleichzeitig legt sich der Manager auf seine 800.000 Euro im Jahr noch ein paar Boni drauf? Das ist nicht gesund.

STANDARD: Nun könnte man zynisch sagen: Der Künstlerberuf ist seit jeher als prekär verschrien. Muss man nicht wissen, worauf man sich einlässt?

Köck: Das kann man so sehen. Aber gleichzeitig schmückt sich das Land mit seinen Künstlern. Das passt für mich nicht zusammen: Wenn man sich als Kulturland präsentiert, sollte man den Personen, die Österreich zum Kulturland machen, auch ein Mindestmaß an Respekt erweisen und sie nicht mit 30 Euro abspeisen.

STANDARD: Überlegen es sich mittlerweile viele dreimal, ob sie Musiker werden wollen?

Köck: Das ist sicher so, ja. Denn wenn man sich die Line-ups der Großfestivals oder Kommerzkinos anschaut, wird überall nur noch das Langetablierte wiedergekäut, das sich leicht verkaufen lässt. Ich glaube nicht, dass Alben von Pink Floyd oder Filme von Stanley Kubrick heute überhaupt noch produziert werden würden. Das ist traurig. (Stefan Weiss, 18.8.2021)