Die studierte Theaterpädagogin Ursula Gessat verantwortet die Jugendschiene der Salzburger Festspiele.

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Ursula Gessat hat sich längst daran gewöhnt: Für die Realisierung von Kinder- und Jugendprogrammen an Opern- und Theaterhäusern braucht es finanzkräftige Sponsoren. An der Bayerischen Staatsoper, wo Gessat in den vergangenen 13 Jahren das Pädagogikprogramm leitete, war das so, und jetzt auch bei den Salzburger Festspielen: Ohne die Uniqa, ohne Raiffeisen und die Investmentgruppe Solway würde wohl keine der 62 Festspiel-Vorstellungen von "jung und jede*r" realisiert werden können.

Auf diesen Namen hört das im Jubiläumsjahr merklich ausgeweitete Kinder- und Jugendprogramm der Festspiele. Stolz zählt Gessat die Produktionen auf, die während und abseits der Festspielzeit angeboten werden. Sieben Inszenierungen sind es, an insgesamt 30 Spielorten. Dazu kommen ein umfangreiches Partizipationsprogramm und viele Vermittlungsangebote für jene 6.000 Jugendlichen, die sich Jugendtickets sichern konnten. "Vor allem mit den Projekten, mit denen wir in die Schulen gehen, erreichen wir ein breites Publikum", sagt Gessat.

Die Frage, welches Publikum man anspricht, ist nicht nur bei dem für Erwachsene angebotenen Kulturprogramm zentral. Schafft man es, so die derzeitige Gretchenfrage der Kulturpolitik, auch Menschen mit weniger Einkommen oder Bildung für Kultur zu interessieren? In der Vergangenheit waren es meist Kinder kulturaffiner Eltern, die sich in die von den Salzburger Festspielen angebotenen Kinderopern gesetzt haben.

Ausweitung des Wirkungskreises

Mit dem Engagement von Gessat im März dieses Jahres sollte auch der Wirkungskreis der Festspiele in Richtung Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine Vollzeitstelle für die Jugendschiene geschaffen, und zum ersten Mal sind es nicht mehr die Kinder und Jugendlichen, die den Weg zu den Festspielen finden müssen – die Festspiele kommen zu ihnen. Seit dem Ende des Lockdowns im Mai reist man mit fünf mobilen Produktionen durch das Bundesland Salzburg, flankiert von Partizipationsprojekten, in deren Rahmen Vermittler an den Schulen eigenständige Projekte mit Kindern und Jugendlichen auf die Beine stellen. "Das passiert alles in der Schulzeit", sagt Gessat, "wir erreichen also sämtliche Schüler einer Klasse."

39 waren heuer dabei, insgesamt 27 Volksschulen haben mitgemacht. Ein großer Erfolg, sagt Gessat, schließlich waren die Rahmenbedingungen durch Corona nicht einfach. "Jetzt müssen wir uns die Frage stellen, wie wir auch bei den Kinder- und Jugendprojekten während der Festspiele diverser werden."

Eine Frage, die auch Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler umtreibt. Der Altersdurchschnitt der Festspielbesucher ist hoch, eine Auffrischung des Publikums in Hinblick auf die Zukunft des Festivals geboten. "Unsere Jugendschiene mag derzeit noch etwas handgestrickt daherkommen", sagt Rabl-Stadler, "dafür trage ich sie aber ganz nah an meinem Herzen." Als Festspiel-Präsidentin ist sie selbst für das Sponsoring zuständig, ohne das die Festspiele wohl etwas anders aussehen würden. Weder gäbe es einen Young Conductors Award (Rolex sponsert) noch ein Young Singers Project (powered by Kühne).

Fellows kommen nach Salzburg

Auch die Ausweitung der Jugendschiene ist der Präsidentin zuzuschreiben. Seit 2018 unterstützt die in Mazedonien, der Ukraine und in Guatemala tätige Solway Investment Group Operncamps, mittlerweile ist man neben Raiffeisen und Uniqa bei der gesamten Jugendschiene mit an Bord. "In den Ländern, in denen wir tätig sind, haben wir Fellowship-Programme für Jugendliche aufgebaut", erklärt CEO Dan Bronstein, "unser Engagement in Salzburg ist damit eng verzahnt." Jährlich ermöglicht man es sechs Jugendlichen, an einem Operncamp teilzunehmen, die finanzielle Aufwendung der im Minenbereich tätigen Gruppe beträgt für die gesamte Jugendschiene "mehrere Hunderttausend Euro".

Details wollen weder Rabl-Stadler noch Bronstein preisgeben. Die Erleichterung darüber, dass das Kinder- und Jugendprogramm finanziell abgesichert ist, ist der Präsidentin aber genauso wie Gessat anzumerken. "Natürlich wäre es toll, wenn für Kinder- und Jugendprogramme auch von der öffentlichen Hand Geld fließen würde", sagt die Musiktheaterpädagogin.

Oder, muss man hinzufügen, die Festspiele dabei auch auf ihren eigenen Etat zurückgreifen würden. (Stephan Hilpold, 18.8.2021)