Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht die Verhandlungen zum Klimaticket mit der Ostregion optimistisch.

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Die Mehrkosten der österreichweiten Stufe des 1-2-3-Tickets werden den Verkehrsunternehmen zur Gänze vom Bund abgegolten. Wer wie viel bekommt, ist nicht transparent.

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Linz – Das österreichweite 1-2-3-Ticket, nunmehr in Klimaticket umbenannt, startet am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober. Verträge mit sechs Bundesländern und den Bahnen ÖBB, Westbahn und Regiojet sind bereits fix – offen ist noch der Verkehrsverbund Ostregion (VOR). Details zum neuen Ticket hat Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gemeinsam mit Teilen der oberösterreichischen Landesregierung am Mittwoch verkündet.

Das Ticket soll unter dem Namen "Klimaticket now" regulär für 1.095 Euro und ermäßigt für 821 Euro pro Jahr erhältlich sein. Ermäßigungen gelten etwa für Menschen unter 26 Jahren und Senioren. Zwischen 1. und 26. Oktober sind die Tickets vergünstigt für 949 beziehungsweise 699 Euro erhältlich. Die Netzkarte soll jedenfalls in Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark, in Kärnten, Tirol und Vorarlberg verfügbar sein. "Zusätzlich österreichweit in allen Zügen der ÖBB inklusive S-Bahn in Wien sowie in den Zügen der Westbahn und Regiojet", berichtete Gewessler.

"Viel Verkehr für wenig Geld"

"Man bekommt wirklich verdammt viel für sein Geld", sagte Gewessler sichtlich erfreut bei dem Pressetermin. Durch das Klimaticket soll der Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr "so einfach, so günstig, so bequem wie noch nie" sein. Zu den Verhandlungen mit der Ostregion zeigte sie sich optimistisch. "Wir werden es auch dort schaffen, da bin ich mir sicher", so Gewessler. In der Ostregion – also Wien, Niederösterreich und Burgenland – sind 60 Prozent aller Berufspendler unterwegs. In der Vergangenheit haben Verkehrsvertreter der Ostregion die Bundesländeraufteilung kritisiert und vorgeschlagen, dass Niederösterreich und das Burgenland tariflich zu einem Bundesland werden.

40 Verhandlungsrunden mit dem VOR habe es gegeben, sagte Gewessler. Das Ziel bleibe, auch mit dem Verkehrsverbund Ostregion bald eine Einigung zu erzielen, dahingehend sei sie "sehr zuversichtlich". Sollten die Verhandlungen nicht rechtzeitig fertig sein, gilt das Ticket in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland in den Bussen des VOR und den Verkehrsmitteln der Wiener Linien erst, wenn hier alle Verträge endgültig geschlossen sind.

Verkehrsverbund verwundert

Der Verkehrsverbund Ostregion hat mit "Verwunderung über die Vorgehensweise" darauf reagiert, dass das Klimaticket ab 26. Oktober gelten soll. Via Aussendung wurde verkündet, dass das Ticket im Regional- und Nahverkehr in der Ostregion nicht gelten werde, weil der Bund keine Tarifkompetenz im Nah- und Regionalverkehr habe. Diese Rechtsmeinung, die von Universitätsprofessoren in Gutachten geteilt wird, stellte das Verkehrsministerium in Abrede. Mit dem Klimaticketgesetz und der nun erlassenen Verordnung sei dies sehr wohl möglich. Auch die ÖBB betonte: "Selbstverständlich werden wir das Klimaticket now in allen Zügen der ÖBB und somit auch in den S-Bahnen in der Ostregion anerkennen."

Widerstand gegen Preisdiktat

Der Bund könne Städte und Gemeinden nicht unmittelbar anweisen, den kommunalen Verkehr in ihrem Gebiet in einer bestimmten Form zu gestalten, heißt es in einem von der Stadt Linz zitierten Gutachten vom Dezember 2020. Auch Professor Josef Aicher, der 2009 maßgeblich an den Verkehrsdienstverträgen mitgewirkt hat und als "Vater" der Verkehrsdienstverträge gilt, schrieb in seiner Stellungnahme für die Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsverbund-Organisationsgesellschaften, das der Bund Tarifangelegenheiten nicht über eine "Allgemeine Vorschrift" regeln könne, sondern nur über Verträge mit jedem einzelnen Bundesland. Wie der Fight ausgehen wird, bleibt also spannend.

"Kernpunkte" fehlen

Der VOR verwies auf "fehlende Kernpunkte" bei den Verhandlungen für das österreichweite Ticket. Einmal mehr forderte er die Umsetzung aller Varianten aus einem Guss und mehr Geld. Der vorgesehene Finanzierungsbeitrag reiche bei weitem nicht aus, zumal dieser auf der Bevölkerungszahl basiert und nicht auf der Zahl der Pendler. Der VOR bekäme als Zuzahlung für Regionaltickets nur 43 der in Aussicht gestellten hundert Millionen Euro – obwohl an die 60 Prozent der Pendler in Österreich betroffen sind.

Ewiges Streitthema ist auch der Fahrkartenvertrieb, der von der eigens gegründeten One-Mobility Services dominiert wird, in die das ÖBB-Ticketsystem integriert wird. Bereits vor Monaten habe man dem Verkehrsministerium den "konkreten Lösungsvorschlag inklusive benötigter Finanzierung für die Ostregion" vorgelegt. Dieser sieht vier Stufen vor: ein 365-Euro-Ticket für Wien, um 550 Euro pro Jahr gibt es Niederösterreich und Burgenland, um 900 Euro wären alle drei Bundesländer zu haben. Oben drauf käme die österreichweite Öffi-Netzkarte um 1096 Euro. "Die größte Tarifreform seit Jahrzehnten braucht Klarheit in den Verträgen", verlangte der VOR. Niederösterreichs Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) hält laut ORF einen Start am 26. Oktober für "illusorisch".

Ermäßigung zum Start

Zurück zu den Zahlen: Ab 1. Oktober gibt es das Ticket ermäßigt im Vorverkauf auf www.klimaticket.at und bei allen Schaltern von ÖBB und Westbahn und auch bei allen Vertriebsstellen der teilnehmenden Verbünde. Der Rabatt gilt auch dann, wenn die Ostregion beim Start am 26. Oktober doch an Bord wäre, sagte Gewessler. "Das Ticket wird automatisch ein Upgrade bekommen", erläuterte die Ministerin.

Ob die im Bundeshaushalt veranschlagten Zahlungen zur Kompensation der Einnahmenausfälle bei den Bundesländern ausreichen, bleibt abzuwarten. Heuer sind dafür 95 Millionen Euro reserviert, im ersten vollen Jahr (2022) 150 Millionen Euro. Welches Bundesland wie viel bekommt, darüber gab die Ministerin ebenso wenig Auskunft wie über die Höhe der Abgeltung für die ÖBB. Das könne sie "seriöserweise nicht mit einer Zahl beantworten", räumte Gewessler ein. Auch die Zahl der Fahrgäste, die man gewinnen will, bleibt ein Geheimnis.

Regionale Tickets in fünf Bundesländern

Vorarlberg, Tirol und Salzburg haben bereits Flächentickets für das jeweilige Bundesland eingeführt. In Oberösterreich startet parallel zum Klimaticket das Regionalticket für ganz Oberösterreich, gab der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Mittwoch bekannt. Die oberösterreichweite Karte wird 695 Euro kosten. Dazu gibt es mehrere weitere Varianten, beispielsweise alleine und exklusiv die Stadtverkehre in Linz, Wels und Steyr um 365 Euro.

Ursprünglich war die Netzkarte mit drei Stufen als 1-2-3-Ticket geplant gewesen. Vorgesehen war in der 3er-Stufe, um 1.095 Euro im ganzen Land mit allen Öffis fahren zu können. Weiters war geplant, um einen Euro pro Tag in einem Bundesland (365 Euro) und um zwei Euro pro Tag in einem und im Nachbarbundesland (730 Euro) fahren zu können. Aus diesem einfachen Tarifschema wird nun teilweise nichts, weil die regionalen Tickets in zahlreichen Bundesländern doch teurer werden. Das liegt auch daran, dass der Bund nur für ÖBB-Strecken über die Tarifhoheit verfügt, Preise können vom Ministerium gemäß Gesetz nicht für regionale und kommunale Verkehrsangebote verfügt werden.

"So schnell wie möglich" sollen auch die Bundesländerstufen umgesetzt werden – ein Datum nannte Gewessler nicht. In der Steiermark und in Kärnten gibt es beispielsweise noch gar kein Flächenticket, "hier wird intensiv daran gearbeitet", sagte die Umweltministerin. Fertig sei das Klimaticket erst, wenn "wir alle Stufen haben". "Wir werden dieses Versprechen einlösen", betonte sie.

"Unbefriedigendes Zwischenergebnis"

Zahlreiche NGOs begrüßten den Start des Klimatickets. Zeitgleich wurde die Teilnahme aller Bundesländer gefordert. Global 2000 sprach etwa von einem "unbefriedigenden Zwischenergebnis". Problematisch sieht auch Greenpeace das Fehlen des VOR mit der Stadt Wien als "Klimabaustelle Nummer eins". Der ÖAMTC verlangte eine Attraktivierung und Verdichtung des Angebots für öffentlichen Verkehr, ein billiges Ticket allein sei zu wenig. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht in der Netzkarte einen "starken Anreiz zum Umstieg auf Öffis". Die Pendlerinitiative Österreich bezeichnete das Klimaticket als "wichtigen Schritt in die richtige Richtung". (APA, agr, ung, 18.8.2021)