Auch die steirische Landeshauptstadt Graz erstickt bisweilen im Autoverkehr. Ob dem Ruf nach einer autofreien City auch Taten folgen werden, wird sich nach der Gemeinderatswahl am 26. September zeigen.

Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) hat vor einigen Tagen angekündigt, in den nächsten Jahren die Vision einer autofreien Innenstadt realisieren zu wollen. "Die Zeit dafür ist reif", sagte Willi. Die steirische Landeshauptstadt Graz könnte nun dem Beispiel folgen, wie eine Rundfrage des STANDARD in den Grazer Rathausparteien ergab.

Die Oppositionsparteien KPÖ, Grüne und SPÖ sind klar für eine autofreie City. Die von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) angeführte türkis-blaue Stadtregierung ist in dieser Frage gespalten. Nagl zeigt Sympathien und plädiert für weitere Verkehrsberuhigungen, auch wenn er nicht explizit die Bezeichnung "autofreie City" in den Mund nimmt. Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) hingegen ist strikt gegen eine Verdrängung von Autos aus der Innenstadt. Auch die Neos haben damit keine Freude.

Ausweitung der Fuzo

Nagl will zwar keine radikale Lösung, indem die Autos aus der City verbannt werden, der ÖVP-Politiker will aber zumindest die bereits ruhigen Bereiche erweitern: "Es gibt ein klares Bekenntnis, dass wir die bestehende Grazer Fußgängerzone ausweiten. In den letzten Jahren wurde die Fuzo in der Schmiedgasse und auch im Nahbereich des Lendplatzes ausgeweitet. Derzeit laufen die Gestaltungsplanungen für den Tummelplatz, der mit weiteren Baumpflanzungen aufgewertet werden soll."

Nagl, der sich wie alle anderen Rathauspolitiker bereits auf den Intensivwahlkampf für die Gemeinderatswahl am 26. September vorbereitet, verspricht, es werde "an der besseren Erreichbarkeit für Radfahrer und Benutzer des öffentlichen Verkehrs gearbeitet". Um Platz in der Innenstadt für Rad- und Gehwege, aber auch Baumpflanzungen zu gewinnen, "sollen die parkenden Autos in Garagen verschwinden", sagt Nagl.

Die für die Verkehrsagenden zuständige Stadträtin Elke Kahr (KPÖ), die zwar nicht in der Regierungskoalition sitzt, aber aufgrund des Proporzsystems – wie auch Grünen-Politikerin Judith Schwentner – ein Stadtregierungsamt verantwortet, macht sich für eine weitgehend autobefreite Innenstadt stark. "Deshalb habe ich ja auch die Verkehrsplanungsabteilung beauftragt, ein Konzept für eine Verkehrsberuhigung dazu zu machen. Ich finde, dass mit Ausnahme der Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt, für die Ladetätigkeit und natürlich für Behindertenparkplätze niemand mit dem Auto privat in die Innenstadt fahren muss", sagt Kahr.

Dem kann auch Grünen-Stadträtin Schwentner nur beipflichten: "Eine autofreie Innenstadt ist auch in Graz möglich." Mehr Grün sowie mehr Platz für Radlerinnen und Radler sowie Fußgängerinnen und Fußgänger "wären eine enorme Aufwertung für den Innenstadthandel und für die Lebensqualität. Hand in Hand mit einer autofreien Innenstadt muss natürlich der Bau des S-Bahn-Rings und der Straßenbahn in alle Bezirke gehen", sagt sie. Parallel dazu sollten auch Radschnellstraßen errichtet werden – als Angebot für jene, die in die Stadt pendeln müssen. Wie Kahr schränkt auch Schwentner ein, dass es ganz ohne Autos natürlich nicht gehen werde. Lieferverkehr, City-Bewohner, Menschen mit Behinderungen, Einsatzkräfte und Zulieferer "werden immer Zufahrtsmöglichkeiten brauchen".

Auch der rote Klubchef Michael Ehmann stimmt mit Schwentner und Kahr grundsätzlich überein, aber mit einer Bedingung: "Selbstverständlich ist die autofreie City für uns ein Thema. Allerdings müssen die Maßnahmen von den betroffenen Bewohnern und Bewohnerinnen ebenso wie von den Gewerbetreibenden mitgetragen werden."

FPÖ gegen Fahrverbote

Von Nagls blauem Koalitionspartner Eustacchio kommt ein klares Nein: "Eine autofreie Innenstadt ist aus unserer Sicht nicht vorstellbar. Fahrverbote oder Ideen wie eine Citymaut wird es mit uns garantiert nicht geben", sagt Eustacchio. Er stehe auf der Seite der Wirtschaftstreibenden in der Innenstadt, die solche Pläne ebenfalls mehrheitlich ablehnten.

Unterstützung bekommt Eustacchio in dieser Sache von Neos-Spitzenkandidat Philipp Pointner. Dieser hält ebenfalls nichts von einer autofreien City: "Verbote wie eine autofreie Innenstadt lösen das Problem mit Sicherheit nicht. Täglich passieren 256.000 Autos die Grazer Stadtgrenzen. Die Folgen sind Lärm, Feinstaub und Stau. Auch die Innenstadt ist von diesem Problem betroffen. Verbote, wie sie die Grünen fordern, gehen aber an der Lebensrealität der Anrainer und der Innenstadtwirtschaft vorbei." Pointner schlägt eine "Stadtallee von der Herrengasse bis zum Hauptbahnhof zum Flanieren" vor. (Walter Müller, 19.8.2021)