Wer sich auf einen "Nachtrunk" beruft, muss dies laut Verwaltungsgerichtshof auch beweisen.

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Ein Mann, der nach einem Verkehrsunfall betrunken bei sich zu Hause aufgegriffen wurde, hatte gegenüber den einschreitenden Polizisten eine interessante Erklärung parat: Er habe nicht schon vor dem Vorfall, bei dem sich seine Beifahrerin verletzte, Alkohol konsumiert, sondern erst danach zwei Bier und ein paar "Stamperl" getrunken.

Vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bekam der Mann mit dieser Argumentation recht. Der von der Polizeibehörde angerufene Verwaltungsgerichtshof (VwGH) sah die Angelegenheit allerdings anders: Er verwies das Verfahren zurück an das Gericht. Jetzt muss neu verhandelt werden (VwGH 21.7.2021, Ra 2021/02/0084).

Die Polizei hatte dem Autofahrer vorgeworfen, 2018 unter Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht zu haben, und stellte einen entsprechenden Strafbescheid aus. Das Verwaltungsgericht, bei dem sich der Mann dagegen beschwerte, kam nach einem Beweisverfahren zu folgendem Ergebnis: Der Autofahrer sei am frühen Abend des 26. Juli 2018 mit dem linken Hinterrad in einen Straßengraben geraten und dort stecken blieben. Beim Versuch, das Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn zu schieben, fiel die Freundin des Mannes im Heckbereich zu Boden, blieb unter dem Fahrzeug liegen und zog sich durch den heißen Auspuff schwere Brandverletzungen zu.

Mutter half mit

Dann sei die Mutter des Mannes zu Hilfe gekommen: Sie zog das Auto mit einem Traktor zurück auf die Straße und fuhr gemeinsam mit Fahrer und Beifahrerin nach Hause. Dort soll der Mann bis zum Eintreffen der alarmierten Rettung Bier und Schnaps getrunken haben. Bei einem Alkotest, den die Polizei um 23 Uhr durchführte, hatte der Fahrer einen Blutalkoholgehalt von 1,12 Promille. Dass der Autofahrer auch zum Zeitpunkt des Unfalls schon betrunken war, konnte aus Sicht des Verwaltungsgerichts aber nicht bewiesen werden.

Denn sowohl die Mutter als auch die Beifahrerin des Mannes bestätigten dessen Version der Geschichte. Vor Ort fanden die Polizeibeamten zwar keine leeren Gläser, die Behauptung, dass die alkoholischen Getränke vor Eintreffen der Rettung weggeräumt worden seien, kann laut Verwaltungsgericht aber nicht widerlegt werden. Auch der gemessene Spiegel von 1,12 Promille passe zu den angegebenen Mengen Alkohol.

Höchstgericht hob Entscheidung auf

Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya bekämpfte die Entscheidung und wandte sich mit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser stellte klar, dass die Alkoholisierung eines Beschuldigten nicht zwingendermaßen bedeute, dass dieser schon zum Unfallzeitpunkt betrunken war. Der "gegebene zeitliche Zusammenhang" ließe aber "entsprechende Rückschlüsse" zu. Ständige Rechtsprechung des VwGH sei, dass derjenige, der sich auf einen "Nachtrunk" beruft, die Menge des konsumierten Alkohols auch beweisen muss.

Der Grund für die Aufhebung der Entscheidung war aber ein anderer: Aus Sicht des Höchstgerichts war das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht fehlerhaft. So wurden die Zeugen bei der mündlichen Verhandlung nicht neu einvernommen, und ihre teilweise widersprüchlichen Aussagen wurden ihnen nicht vorgehalten. Der VwGH verwies das Verfahren deshalb zurück ans Landesverwaltungsgericht. Dort müssen nun alle Zeugen noch einmal neu aussagen. (Jakob Pflügl, 19.8.2021)