War eigentlich gar nicht so geplant: Die Literatin und Komikerin Stefanie Sargnagel verkörpert sich in "Sargnagel – der Film" als renitente Künstlerin selbst.

Foto: Golden Girls Filmproduktion

Kein ultimatives Porträt, auch kein ganz erfundener Spielfilm: Sargnagel – der Film von Sabine Hiebler und Gerhard Ertl findet seinen Platz dazwischen. Eine Satire, in der es um das Gewese um Stefanie Sargnagel geht, jene heimische Literatin, Cartoonisten und Social-Media-Provokateurin, die niemanden ganz kaltlässt. Ein Zusammentreffen im Hintergarten von Sargnagels Stammcafé, bei dem es nicht nur um ihre Verwandlung in eine Kinofigur geht.

STANDARD: In Ihrem Buch "Binge Living" haben Sie notiert, dass Sie dringend ein Drehbuch für Ihr Leben brauchen. Jetzt haben Sie sogar einen Film.

Sargnagel: Da war ich allerdings noch viel jünger und chaotischer. Mittlerweile ist das Drehbuch durch den Arbeitsdruck, unter dem ich stehe, eh vorhanden.

STANDARD: All work and no play?

Sargnagel: Schon, oder? Ich hab erst seit vier Jahren einen Kalender, um Termine einzutragen. Es gibt jetzt Leute, die mir sagen, wo ich wann sein muss. Für jeden Lebensbereich eine kleine Regie.

STANDARD: Sie tun sich den Stress aber doch recht gern an.

Sargnagel: Ich bin sehr neugierig. Beim Film hab ich aber nicht gleich zugesagt, weil ich mich nicht so exponieren wollte. Da habe ich weniger Kontrolle über mein Bild – es ist etwas ganz anderes, wenn nicht das Pult vor einem steht, sondern drei Kameras auf einen gerichtet sind.

STANDARD: Im Film heißt es, das werde der erste weibliche Kabarettfilm. Ein Wording, das Ihnen gefällt?

Sargnagel: Ich weiß nicht ... Ich sehe mich eigentlich nicht in dieser Tradition, obwohl ich Kabarettfilme wie Muttertag nie schlecht fand. Aber das ist ja auch ein Scherz.

STANDARD: Dass Sie sich selber spielen, war gar nicht geplant.

Sargnagel: Nein, zuerst war es als Spielfilm gedacht, in dem ich vielleicht einen Cameo gehabt hätte. Das wurde aber nicht bis zum Schluss gefördert. Dann wollte man es mit mir probieren, als eine Art Mockumentary. Ich habe eigentlich gar nicht mehr daran geglaubt und leichtfertig zugesagt. Im ersten Moment war ich eher schockiert, dass es umgesetzt wird.

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STANDARD: Im Film werden Sie von der Kulturindustrie ganz schön an die Kandare genommen. Das ist nicht wirklich so gewesen, oder?

Sargnagel: Dass mich der Kulturbetrieb so überrumpelt hat, stimmt nur ein bisschen. In Wirklichkeit entstand das meiste meiner Sachen eigentlich im Do-it-yourself-Modus. Es gab keinen Manager hinter mir.

STANDARD: Der Mythos des Films ...

Sargnagel: Ja, aber ich mache auch ständig selbst einen Mythos um meine Sachen. Allerdings eher auf der Ebene: "Ich mag eigentlich gar nicht, bin so faul ..." Lesungen habe ich mir anfangs selbst organisiert.

STANDARD: Als Kunstfigur im Film wirken Sie schon fast wie eine zum Leben erweckte Comicfigur mit speziellen Renitenz-Features.

Sargnagel: Ich fühle mich auch in der Arbeitspraxis mehr wie ein Comedian, als Stand-up-Comedian oder als Comiczeichnerin. Da passiert es häufig, dass man eine Figur auf eigenen Erfahrungen aufbaut und überspitzt. Man performt eine Karikatur von sich selbst. Ich sperre mich auch nicht monatelang ein und schreibe ein Science-Fiction-Epos! Ich geh’ spazieren und mache Witze über die Sachen, die ich erlebe.

STANDARD: In einer Szene geben Sie Mädchen Unterricht in Sachen politisch korrekter Schimpfwörter. Kommt da Ihre aufklärerische Seite durch?

Sargnagel: Fäkalhumor war immer eine Männerdomäne. Jetzt machen das halt auch Kabarettistinnen. Da heißt es dann gleich, das sei feministisch, aber es ist eigentlich noch derselbe Humor. Außerdem find ich es lustig. Ich mag derbe Sprache und Rap. Und eben politische Inkorrektheit, ohne inkorrekt gegen Minderheiten zu sein. Die Szene fand ich lustig, weil die Jugendlichen überhaupt nicht gelacht haben.

STANDARD: Beim Körperhumor geht es ja auch um Hierarchien, die man umkehren will.

Sargnagel: Beim Humor geht es immer um Tabus, da bieten sich körperliche Aspekte an. Eine Szene, in der ich wirklich lachen musste, war die, in der ich einen Schas lasse. Ich dürfte sehr einfach gestrickt sein.

STANDARD: Wie wichtig ist es Ihnen, schamlos zu sein?

Sargnagel: Das hängt eng mit den Tabus zusammen. Wenn man bedenkt, wofür sich Frauen vor 50 Jahren noch geniert haben! Deswegen ist es befreiend, wenn man über solche Sachen lachen kann. Man kann die Dinge mit Humor gut entspannen – und alles mit Spannung eignet sich für Humor.

STANDARD: Wie erklären Sie sich, dass das so viele aufregt?

Sargnagel: Ich war selbst überrascht. Anfangs wollte ich nur Witze machen, das haben meine Hipster-Freunde in den sozialen Medien gelesen. Dann kam plötzlich der Mainstream. Da habe ich erst bemerkt, dass sich die Leute von jedem Scheiß provozieren lassen.

STANDARD: Erschrickt man da nicht?

Sargnagel: Ich war eher verwundert, weil ich es nicht so provokant fand. Ich bin mit Manfred-Deix-Büchern aufgewachsen, da gab es Witze, die zehnmal härter sind. Oder Nöstlinger-Gedichte aus den 70ern, die lustig von Kindstod erzählen. Normaler österreichischer Humor.

STANDARD: Der aber in Ihrem Fall nicht klein beigibt.

Sargnagel: Vieles war geschlechterspezifisch. Eine Frau, die Raum einnimmt und nicht in erster Linie gefallen will, das provoziert immer noch extrem. Jemand hat mir einmal geschrieben, ich würde mir männliche Gesten aneignen und Dosenbier trinken. Ich bin in einer Subkultur aufgewachsen, in der jede Frau Dosenbier trinkt!

STANDARD: Zuletzt sind Sie etwas leiser geworden, haben einen Roman veröffentlicht. Eine Neuausrichtung?

Sargnagel: Vielleicht, oder eine Phase, ich weiß es nicht genau. Ein bisschen altersmüde ... Ich merke, wie angenehm es ist, nicht hundert Drohnachrichten pro Tag zu kriegen. Ich weiß nicht, ob ich noch so viel schreiben werde, ich kann meine Sachen ja auf verschiedene Arten umsetzen. Grad mach ich T-Shirts.

STANDARD: Ein Sargnagel-Franchise?

Sargnagel: Merchandise! Nein, ich hab schon viel Antihaltung in mir. Kann sein, dass ich ganz etwas anderes mache, aus Angst vor dem Sell-out. Oder ich stürze mich voll rein und geh zu Dancing Stars. Am wichtigsten ist das Humoristische. (Dominik Kamalzadeh, 20.8.2021)