
Hanf ist nicht gleich Hanf. Die Polizei verwechselte Nutzpflanzen mit einer Drogenplantage.
Wien – Es ist nicht alles illegal, was Hanf heißt. Diese Erfahrung musste die Wiener Polizei machen, die im Vorjahr eine großangelegte Drogenrazzia in der Plantagehalle eines Hanfzüchters in Wien-Liesing durchführte. Rund 1.800 verdächtige Pflanzen wurden damals behördlich gerodet – zu Unrecht, wie der Betreiber schon damals beteuerte. Aus seinen Pflanzen würden erlaubte CBD-Produkte wie Aromaöle für die Kosmetik hergestellt. Das Unternehmen sei auch bei der Agrarmarkt-Austria (AMA) registriert.
Finanzprokuratur lehnte ab
Auch das Verwaltungsgericht Wien stellte laut "Kurier" inzwischen fest, dass das Ausmaß des Polizeieinsatzes nicht gerechtfertigt gewesen sei. Doch mit seiner Forderung nach Schadenersatz ist der Betreiber bei der Finanzprokuratur vorerst abgeblitzt. Nun landet der Fall vor Gericht. Vor wenigen Tagen wurde Klage gegen die Republik Österreich eingereicht, wie der Hanfzüchter am Donnerstag auf Anfrage des STANDARD bestätigte.
Viele Polizeischüler dabei
Konkret geht es um mehr als 200.000 Euro – so groß soll der Schaden sein, den der Polizeieinsatz, zu dem im Sommer 2020 auch viele Polizeischüler abkommandiert waren, angerichtet hat. Für das Unternehmen, das von der EU und von der Stadt Wien gefördert worden ist, sei das ein existenzieller Schaden, sagt der Betreiber.
Der ursprüngliche Polizeieinsatz damals fand an einer anderen Adresse in der Umgebung statt. Im Zuge der Nachschau stießen die Polizisten auf eine offene Tür, aus der Cannabis-Geruch strömte, heißt es im Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, das dem STANDARD vorliegt.
Keine Gerichtsbewilligung
Daraufhin sei Verstärkung angefordert und wegen Gefahr in Verzug ohne richterliche Bewilligung eingeschritten worden. Auf eben diese Annahme, dass man schnell handeln habe müssen, stützt sich auch die Finanzprokuratur, die kein "rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Bundesorganen" erkennen kann.
Das Verwaltungsgericht kommt zu dem Schluss, dass das Vernichten der genau 1.792 Pflanzen, mit dem rund 40 Beamte mehrere Stunden beschäftigt waren, nicht notwendig gewesen sei. Eine Gefahr der Beweismittelbeseitigung habe nie bestanden, weil so viele Pflanzen nicht einfach unbemerkt aus einer Halle mit nur zwei Türen geschmuggelt werden hätten können. Es hätte gereicht, sich auf die 120 Pflanzen, die zur Probe entnommen worden seien, zu beschränken.
Das Verfahren gegen das Hanfunternehmen wurde ziemlich schnell eingestellt, die abgeschnittenen Pflanzen sind längst verdorrt, begutachtet wurden sie nie. (simo, 19.8.2021)