Auch in der Hauptstadt Kabul kam es zu Protesten.

Foto: EPA / Stringer

Frage: In einigen Städten wurde bereits von Protesten gegen die Taliban berichtet. Wie groß sind diese?

Antwort: Die genaue Zahl der Demonstranten ist nicht klar, doch berichten Augenzeugen von "hunderten Menschen" in der Provinzhauptstadt Asadabad, nahe der Grenze zu Pakistan, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Sie schwenken die afghanische Nationalflagge oder hüllen sich in das Stück Stoff. Laut Wall Street Journal wurde in der östlichen Stadt Jalalabad die weiße Flagge der Taliban abgerissen und gegen die schwarz-rot-grüne Afghanistans getauscht. Vor allem am Donnerstag, dem Tag der Unabhängigkeit Afghanistans von der britischen Herrschaft, brachen Proteste aus – auch in der Hauptstadt Kabul.

Frage: Wie reagieren die Taliban auf die Demonstrationen?

Antwort: Sie begegnen ihnen mit Gewalt. Die Kämpfer der radikalislamischen Organisation feuern zum Teil in die Menschenmengen. Es gibt Berichte über mehrere Tote und Verletzte. Ob die Menschen durch die Schüsse starben oder in der dadurch ausgelösten Panik niedergetrampelt wurden, ist laut Nachrichtenagenturen unklar.

Frage: Auch im Pandschir-Tal soll sich Widerstand formieren. Wer ist daran beteiligt?

Antwort: Ahmad Massoud, der Sohn des legendären Kommandanten Ahmad Shah Massoud, soll gemeinsam mit dem geflüchteten Vizepräsidenten Amrullah Saleh eine Miliz aufbauen. Es heißt, dass sie bereits zehntausend Kämpfer in dem Tal, das als uneinnehmbar gilt, versammelt haben. Massoud warb sogar in einem Meinungsbeitrag in der Washington Post für internationale Unterstützung: "Unsere Moral ist hoch. Wir wissen aus Erfahrung, was uns erwartet. Aber wir brauchen Waffen, mehr Munition und mehr Ausrüstung."

Frage: Die Taliban haben von "Vergebung" gesprochen, die den ehemaligen Kriegsgegnern zuteilwerden soll. Wie sieht es damit aus?

Antwort: Die Taliban haben offenbar ihre Suche nach jenen intensiviert, von denen sie glauben, dass sie für die USA oder Nato-Truppen gearbeitet haben. Das berichtet die New York Times und beruft sich auf ein vertrauliches UN-Dokument. Es gebe Berichte, wonach die Taliban eine Liste mit den Namen jener Personen hätten, die sie befragen und bestrafen wollen. Auch ihre Aufenthaltsorte seien den radikalen Islamisten bekannt. Bereits jetzt gehen die Taliban von Tür zu Tür und drohen Familienangehörigen.

Die Deutsche Welle (DW) berichtete über einen Angriff auf die Familie eines DW-Journalisten. Einer seiner Verwandten sei dabei getötet und ein weiter schwer verletzt worden. Der Journalist arbeite inzwischen in Deutschland. Die Taliban "führen offenbar schon eine organisierte Suche nach Journalisten durch", sagte der Intendant des deutschen Auslandssenders, Peter Limbourg.

Frage: Die Taliban stellen den Führungsanspruch und bauen bereits an einer Regierung. Wie könnte diese aussehen?

Antwort: Afghanistan wird keine Demokratie werden, das stellte Waheedullah Hashimi, ein hochrangiger Taliban, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters klar. Das Land soll, wie bereits von 1996 bis 2001, von einem Taliban-Rat geführt werden. Darüber soll nur der bisherige Oberste Führer der Gruppe, Mawlawi Hibatullah Akhundzada, stehen. Auch Mitglieder der gestürzten Regierung könnten einer neuen angehören. Laut einem Taliban-Sprecher dauern die Gespräche an.

Frage: Wie finanziert sich die künftige Regierung überhaupt?

Antwort: Das ist noch nicht klar, denn bereits am Mittwoch twitterte der bisherige afghanische Zentralbankchef Adjmal Ahmadi, dass sich ein Großteil der Währungsreserven im Ausland befinden. Die Taliban haben demnach nur Zugriff auf 0,2 Prozent der Finanzen. Jene Reserven, die in den USA lagern, wurden nun von der US-Regierung eingefroren. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) setzte den Zugang zu seinen Ressourcen aus.

Frage: Die Menschen verlassen noch immer zahlreich das Land. Wie steht es um die Evakuierungsflüge?

Antwort: US-Soldaten und türkische Streitkräfte sichern den Flughafen in Kabul, um den Flugverkehr aufrechtzuhalten. Doch die Taliban kontrollieren weiterhin die Straßen zum Flugplatz. Trotzdem sollen noch zahlreiche afghanische Ortskräfte ausgeflogen werden. US-Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, dass so lange Truppen vor Ort bleiben werden, bis alle außer Landes sind. Notfalls auch bis nach dem 31. August.

Frage: In Sachen Migration haben sich die EU-Innenminister besprochen. Mit welchem Ergebnis?

Antwort: Es hat sich gezeigt, dass die Union weiterhin in dieser Sache gespalten ist. Österreich will an Abschiebungen festhalten und Zentren in der Region, Luxemburg fordert verpflichtende Aufnahmequoten. Nun soll ein Sondergipfel her.

Frage: Wie steht es um die humanitäre Hilfe für die Menschen vor Ort?

Antwort: Die Vereinten Nationen zeigten sich am Donnerstag alarmiert. Laut dem UN-Nothilfebüro Ocha fehlt es an mindestens 700 Millionen Euro Spendengeldern, um die Menschen in Afghanistan zu unterstützen. Eine anhaltende Dürre verschärft die Nahrungsmittelunsicherheit im Land. (Bianca Blei, 19.8.2021)