Petra Huber: "An erster Stelle kommt immer der Sport, dann erst die Behinderung."

Foto: ÖPC/GEPA Pictures

Nach den Olympischen Spielen war vor den Paralympischen Spielen, die am 24. August beginnen. Petra Huber vom ÖPC war noch vor den ersten Athletinnen und Athleten in Japan.

STANDARD: Japan hat den Notstand verlängert, die Neuinfektionen sind seit Wochen auf sehr hohem Niveau. Wie sind die ersten Eindrücke vor Ort?

Huber: Die ersten Eindrücke sind sehr gut. Vor allem die Einreise verlief reibungslos, die langen Wartezeiten, die es bei den Olympischen Spielen gab, sind uns nicht untergekommen. Es ging alles sehr flott. Im Dorf kann man sich frei bewegen, die Stimmung ist gut. Sonst sind die Regeln gleich wie bei den Olympischen Spielen. Der Ausnahmezustand betrifft uns nicht, weil wir auch nicht vorhaben rauszugehen. Das Wichtigste ist, dass die Spiele stattfinden.

STANDARD: Gab es einen Zeitpunkt, an dem Sie gedacht haben, dass es keinen Sinn hat, die Spiele abzuhalten?

Huber: Nein, wir sind immer davon ausgegangen, dass die Spiele stattfinden. Wir wollten das auch. Es geht darum, dass die Sportler und Sportlerinnen ihre Leistungen zeigen können. Sie haben fünf Jahre oder länger darauf hintrainiert.

STANDARD: Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, sprach im Vorfeld von den wichtigsten Paralympics aller Zeiten. Hat er recht?

Huber: Ja, denn gerade während der Pandemie hat sich gezeigt, dass bei der Inklusion noch viel mehr getan werden muss. Wichtig war, dass die Athletinnen und Athleten so wie ihre olympischen Pendants früh trainieren konnten und so in keinen Rückstand gekommen sind.

STANDARD: Nach den Para-Spielen in Südkorea ist jetzt also Japan dran. Merkt man einen Unterschied zwischen den Ausrichterländern, oder ist es ein bisschen egal, wo die Spiele stattfinden?

Huber: Man sieht die kulturellen Unterschiede, wie in den jeweiligen Gesellschaften mit Menschen mit Behinderung umgegangen wird. Und allgemein merkt man, dass die Bewusstseinsbildung voranschreitet. Tokio ist beispiellos, hat eine Vorreiterrolle übernommen. Es geht um Sichtbarkeit und um die Gleichstellung. In Tokio sind beide Logos gleichwertig präsent, auf den Autos, auf der Kleidung der Volunteers, auf der Kleidung der Schiedsrichter. Es ist wichtig, sichtbar zu machen, dass beide Spiele gleichwertig sind.

STANDARD: Mit Claudia Lösch ist eine ehemalige Parasportlerin in die Spitzensportkommission der Bundes-Sport GmbH entsandt worden. Das ist eine gute Nachricht für den Parasport in Österreich.

Huber: Absolut. Eines unserer Ziele ist es, auch in den diversen Entscheidungsgremien des Sports eine Stimme zu haben und mitsprechen zu können. Es ist sehr erfreulich, dass mit Claudia Lösch eine potenzielle Stimme dabei ist. Wir stehen mit ihr im Austausch.

STANDARD: Apropos Sichtbarkeit. Aufmerksamkeit ist immer auch ein Thema der Medien. Was können Medien tun, um dem Parasport mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Huber: Ein ganz konkreter Vorschlag wäre, auch im Vorfeld immer von Olympischen und Paralympischen Spielen in einem Atemzug zu sprechen. Eine Bewerberstadt bewirbt sich ja immer für beide Spiele. Es sind nur zwei Wörter mehr, die man nennen oder schreiben müsste, und unsere Sportlerinnen und Sportler sind damit mitgemeint. Das wäre sehr wichtig, denn Sprache sensibilisiert – und zeugt auch von einer Wertschätzung gegenüber den Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung.

STANDARD: Es stellt sich auch immer wieder die Frage des Narrativs. Eine Para-Sportlerin hat einmal gesagt, dass die Behinderung zwar ein Teil ihres Lebens ist, sie aber nicht darauf reduziert werden möchte.

Huber: Die Reihenfolge ist ganz klar. Es sind Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung. An erster Stelle kommt immer der Sport, dann erst Behinderung.

STANDARD: Bei den Olympischen Spielen waren die Medaillen-Prämien ein Thema. Was zahlt das Paralympische Komitee?

Huber: 12.000 Euro, 10.000 Euro und 8000 Euro für Gold, Silber und Bronze zahlen wir bar aus.

STANDARD: In anderen Ländern ist das mehr, die Prämien gleichen teilweise jenen der olympischen Athleten.

Huber: Ja, ich möchte da aber auch auf das Gesamtpaket hinweisen. Es gibt Förderungen, die Plätze beim Heeressport und die damit verbundene soziale Absicherung. Es geht nicht nur um Medaillen.

STANDARD: Wenn Sie IPC-Präsidentin wären, was würden Sie ändern?

Huber: Ich würde noch mehr in die Medienarbeit investieren und damit noch mehr Sichtbarkeit schaffen. Jeder, der den paralympischen Sport gesehen hat, ist begeistert.

STANDARD: Der Frauenanteil im paralympischen Team ist gerade einmal bei 25 Prozent. Warum?

Huber: Es ist ein Prozess, und es wird auch seitens des Internationalen Paralympischen Komitees darauf geachtet, dass die Frauenquote erhöht wird. Generell gilt aber, dass Frauen im Sport unterrepräsentiert sind, und wenn eine Frau eine Behinderung hat, ist es noch einmal schwieriger. Wir freuen uns über die 25 Prozent, es ist unser höchster Anteil bisher. Es ist auf jeden Fall eines unserer Ziele, dass mehr Frauen in Zukunft an Paralympics teilnehmen werden. (Andreas Hagenauer, 20.8.2021)