Mit feschen Cowboystiefeln in den Fluten des Ozeans tanzen: "Burt Turrido. An Opera" erinnert, wenn auch nur entfernt, an Richard Wagners "Fliegenden Holländer".

Foto: Jessica Schäfer

Nichts triggert den gemeinen Europäer mehr als ein deftiger Schwung uramerikanischer Countrymusik, die eine Theaterszene dynamisch frohlockend umtost. Jippie! Können sie haben, sagten sich Kelly Copper und Pavol Liška vom Nature Theater of Oklahoma und haben damit ihr erstes Opernprojekt Burt Turrido. An Opera gleich einmal von hinten aufgezäumt. Richard Wagner mit Banjo und Gitarre.

Motive aus Wagners Fliegendem Holländer (derjenige, der dazu verdammt ist, auf ewig über die Weltmeere zu segeln, bis ihn eine Frau erlöst) werden mit zünftiger Westernfolklore zu einer auf einem zukünftigen Grönland, einer Art Karibik des Nordens, angesiedelten Untergangs- und Neubeginnsgeschichte abgemischt. Man sieht: Klimakatastrophe war schon, und auch die Personage dieser bunten Oper deutet auf ein unzuverlässiges und geheimnisvolles Zeitalter hin: Ein schiffbrüchiger Mann gerät auf einer von Geistern der Vergangenheit heimgesuchten Insel in Gefangenschaft und soll dort nicht nur widerwillig das Kind der Königin zeugen, sondern auch einen weiteren geheimen Gefangenen von dessen Schuld befreien.

Bezwingend heiter

Die katastrophischen Infos türmen sich in diesem Banana Kingdom. Die Geister entspringen einem kürzlich vollzogenen Genozid, Bootsflüchtlinge überall, der Planet ist erhitzt und wird von Extraterrestrischen als nicht mehr wert für Besiedelung eingestuft.

Klingt heftig, ist es auch. Doch das Nature Theater versteht sich seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert bestens darauf, tragische Inhalte in bezwingend heiterer Form anzupreisen.

Darin hat es die in New York beheimatete, großteils in Europa engagierte Gruppe zu wahrer Meisterschaft gebracht. Sogar bei Elfriede Jelineks Die Kinder der Toten, 2018 mit dem Steirischen Herbst koproduziert, gab es etwas zu lachen.

Für Burt Turrido greifen Copper und Liška nun wieder auf Erzählweisen und Tonlagen ihrer Anfangsjahre zurück, wie sie etwa in No Dice! oder in der Serie Life & Times geradezu Kult geworden sind: auf trashige Kostüme und ebensolche Bühnenelemente, auf dynamische Countrymusik, expressionistische Gesten und Choreografien und auf Gesang. Diesmal sind Spieler aus der Ursprungstruppe wieder mit dabei: sowohl die fabelhafte und urkomische Anne Gridley als auch der nicht minder faszinierende Robert M. Johanson, von dem auch die Musik stammt.

Arrivierter Player im Festivalbetrieb

Das Nature Theater of Oklahoma, benannt nach einer Compagnie in Franz Kafkas Roman Amerika, ist zu einem arrivierten Player im Festivalbetrieb geworden und kann auf eine erstklassige Laufbahn zurückblicken, die auch in Österreich nichts ausgelassen hat: vom Steirischen Herbst über die Salzburger Festspiele bis hin zur Zeit als Artists in Residence am Burgtheater (2009).

Seit jeher war das Leitungsduo Kelly Copper und Pavol Liška davon getrieben, neue Darstellungsweisen auszureizen und Genregrenzen zu dehnen. Sie haben de facto schon alle Gattungen unsicher gemacht: Theater, Musical, Tanz, Radio, Film, auch ein Buch entstand (in mittelalterlicher Handschriftenoptik) – jetzt kommt erstmals die Oper dran.

Die im Auftrag des Festivals Frankfurter Positionen von Schauspielhaus Frankfurt und Künstlerhaus Mousonturm produzierte Arbeit (die Festwochen sind Koproduktionspartner) ist an drei Terminen in Wien zu sehen. (Margarete Affenzeller, 21.8.2021)