Für diese "Lieder ohne Worte" braucht es einen Felix Mendelssohn Bartholdy, zwei Leute im Auto, drei Musiker und im Publikum eine Gesellschaft, die sich an den nötigen Neuanfang wagt.

Foto: Sandra Then

Wien – "Ich erinnere mich sehr gut an jedes Detail dieses berühmten Tages", heißt es in einem Insert, das an die Wand projiziert wird.

Zwei Überlebende eines Autounfalls versuchen zu rekonstruieren und zu verstehen, was geschehen ist. Das passiert nahezu schweigend. Drei Musiker stehen ihnen bei, auch das Autowrack ist ein Mitspieler. Aus seinem Radio klingen die lyrischen Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Von den Musikern erweitert, bildet diese Komposition das atmosphärische Gerüst für eine Aufarbeitung des Schocks: Aufs Autodach trommelnde Finger imitieren Regen, der Scheibenwischer wird zum E-Geigen-Spieler, Stimmengewirr von Augenzeugen, und auch die Scheinwerfer leuchten im Takt.

Ein Abend mit Zerstörung

Die neueste Musiktheaterproduktion des Regisseurs und Bühnenbildners Thom Luz beginnt mit einer Katastrophe und einem (längst überfälligen?) Aufprall für die ganze Gesellschaft. Mit den Fragen, ob wir uns gegen die Wand gefahren haben, ob wir überhaupt noch existieren, und wenn ja, wie, schafft Luz eine Stimmung von Endzeit, aber auch eines Neuanfangs. Und so lässt er seine fünf Schauspielerinnen und Musiker das Bühnenbild aufbauen, indem sie es zertrümmern.

Beginnt das Stück mit dem Ende einer Reise, startet der Abend mit Zerstörung. Als "Crash-Skulptur" bezeichnet der in Zürich geborene Thom Luz sein Werk. Am 22. September gibt es ein Publikumsgespräch mit Luz, der seit 2007 sowohl in der Off-Theater-Szene als auch an Stadttheatern arbeitet.

Von 2015 bis 2020 war er Hausregisseur am Stadttheater Basel, seit 2019 auch am Residenztheater München. 2019 erhielt er den Schweizer Theaterpreis und wurde dreimal zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Seit 2013 tourt sein Gespenstermusical When I die. Demnächst macht es in Belgien halt. (kst, 21.8.2021)