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Nicht nur die Preise für Lebensmittel werden steigen. In den vergangenen 20 Jahren blieb die Teuerung im Einzelhandel jedoch stets unter der allgemeinen Inflation.

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Wien – Viele Österreicher gönnen sich wieder so manch ausgedehnte Einkaufsbummel. Händler wittern nach Monaten der Krise vielerorts Morgenluft. Alles in allem haben sie heuer im ersten Halbjahr netto um 0,8 Prozent mehr umgesetzt als im Vergleichszeitraum des Vorkrisenjahres 2019. Das Nervenkostüm der Branche mit ihren Milliardenumsätzen bleibt dennoch dünn – nicht nur im auf einem schmalen Grat wandelnden Modehandel.

Der Herbst mit seinen drohenden steigenden Infektionszahlen in Zeiten von Corona wirft seine Schatten voraus. Debatten um hohe Inflation und kostspieligen Konsum verunsichern: Angst geht um, dass sie die frisch aufkeimende Kauflust bremsen. Zudem stehen bei den Sozialpartnern die Verhandlungen zu den neuen Löhnen und Gehältern an.

Mitarbeiter an der Virenfront

Handelsmitarbeiter blieben ohne Aussicht auf Homeoffice an der Virenfront – und hielten damit massiver Mehrbelastung durch die Restriktionen der Pandemie stand. Andere wechselten im Zuge der Kurzarbeit in besserbezahlte oder zumindest familienfreundlichere Berufe. Schon allein um genug gutes Personal zu finden und die Kaufkraft nicht zu schwächen, darf der Handel um spürbar höhere Kollektivverträge nicht herumkommen.

Doch noch weit mehr als im Vorjahr driften heuer die Bilanzen der Betriebe auseinander. Baumärkte etwa fuhren im ersten Halbjahr satte Umsatzzuwächse von bis zu einem Fünftel ein und lagen auch im Vergleich zu 2019 klar im Plus. Supermärkte und Drogerien zählen ebenso zu den Gewinnern wie Elektro- und Möbelhändler.

Zwei Welten

Zugleich aber brach das nicht weniger beschäftigungsintensive Geschäft rund um Textilien und Schuhe um bis zu 26 Prozent ein, wie das Institut Economica aktuell erhob. Selbst innerhalb gleicher Sparten ist die Divergenz enorm: Während in Tourismusregionen wie an Kärntner Seen der Bär steppt, harrt der Handel der Wiener Innenstadt seiner Wiederbelebung. Auch Einkaufszentren fehlen die Kunden.

Den Kollektivvertrag im Dienste der Fairness zu splitten und auf einzelne Branchen herunterzubrechen wird sich jedoch so rasch nicht realisieren lassen. Zu sehr überschneiden sich viele Branchen innerhalb einzelner Unternehmen.

Jobkarte

Gewiss ist, dass die Arbeitgeber in der Lohnrunde die Jobkarte ausspielen werden: Mehr Geld für Mitarbeiter bedeute unterm Strich weniger Arbeitsplätze. Zumal mit dem Auslaufen der staatlichen Hilfen zusätzliche Insolvenzen drohten.

Über allem schwebt wie ein Damoklesschwert die Rückkehr zu restriktiveren Konsumregeln. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) warnt vor einer vierten Corona-Welle und forderte daher Eintrittsverbote für Ungeimpfte für Freizeit- und Sportstätten wie auch für Gastronomiebetriebe ab Oktober.

Alle oder keiner

Viele Wirte ließen das nicht auf sich sitzen. Ihr forscher Tenor: ein G für alle oder für keinen. Das wiederum versetzt Händler in Alarmbereitschaft. Ein weiterer Lockdown gilt für sie zwar als absolutes Katastrophenszenario, das die Zahl ihrer Unternehmen und Filialen nachhaltig dezimieren würde. Doch auch verschärfte Zutrittskontrollen lassen Geschäftsleute erschauern.

Sie rechnen mit langen Menschenschlangen vor ihren Toren und sehen sich als unfreiwillige Hilfssheriffs an Umsetzung und Kontrolle scheitern. Brisant wäre zudem die Differenzierung zum Lebensmittel- und Drogeriehandel, zu dem der Zulauf wohl nicht limitiert werden darf. In der Praxis hieße das: Ungeimpfte haben beim deutschen Handelsriesen Müller weiterhin grünes Licht, während ihnen der Einkauf bei kleineren Anbietern wie Pagro und Libro ums Eck verwehrt ist.

Neue Ungleichbehandlung?

Seit Beginn der Krise entzündeten sich in Österreich mehrfach harte Konflikte rund um eine Ungleichbehandlung der Händler. Etwa als der Lebensmittelhandel Non-Food-Ware während des Lockdowns wegsperren sollte, diese stattdessen jedoch im großen Stil zu Aktionspreisen feilbot. Zähneknirschend sahen Fachhändler zu, wie sich große Ketten am Ansturm der Kunden auf ihr saisonales Sortiment labten.

Weitere Wettbewerbsverzerrung könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Noch mehr, da sich auch Onlineriese Amazon die Hände reiben würde. Denn zumindest eines ist fix: Sein Geschäft ist vor Drei-G-Regeln gefeit.

Steigende Inflation

Sehr wohl auch herumschlagen muss sich die Welt des Onlinehandels mit höheren Preisen. Lieferketten spielen verrückt, steigende Inflation ist in aller Munde. Derzeit sind primär Großhändler mit Teuerung konfrontiert. Konsumenten werden sie quer durch die Sortimente ab Herbst zu spüren bekommen.

Der Blick in die vergangenen 20 Jahre zeigt jedoch, dass Preissteigerungen des Einzelhandels bis auf einen Ausreißer stets geringer waren als die allgemeine Inflation. Das Institut Economica geht davon aus, dass dies auch in Zukunft so bleibt. (Verena Kainrath, 21.8.2021)