Französische Soldaten in Mali geraten des Öfteren in das Visier von Extremisten.

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Während sich Terrorexpertinnen und -experten fragen, welche Folgen der Sieg der Taliban in Afghanistan auf die afrikanischen Hochburgen der Extremisten haben werde, gaben diese bereits auf ihre Weise eine Antwort. Am Mittwoch überfielen islamistische Kämpfer im Nordosten Burkina Fasos einen Militärkonvoi. Dabei kamen mehr als 80 Menschen, darunter fast 60 Zivilisten, ums Leben. Einen Tag später schlugen Extremisten in Malis Landesmitte zu: Bei der Explosion eines mit Sprengstoff gefüllten Fahrzeugs wurden dort 15 Soldaten getötet.

Abzug auch in Sahel erwartet

Iyad Ag Ghali, Chef der mit der westafrikanischen "Al Kaida im Maghreb" verbündeten "Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime" (GSIM), wartete erst gar nicht auf die Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban, um in einer Radiobotschaft bereits die Geburt des "Islamischen Emirats Afghanistan" zu feiern. Sie sei des Ergebnis eines "zwei Jahrzehnte währenden geduldigen Kampfs der Jihadisten", triumphierte der malische Extremistenführer. Der Tuareg geht davon aus, dass westliche Soldaten bald auch die Mali, Burkina Faso und den Niger umfassende Krisenregion in der Sahelzone verlassen werden – wofür es Hinweise gibt. Frankreich will zumindest die Truppenstärke ihrer dortigen Mission "Barkhane" vermindern oder sogar ganz abziehen: Was dann aus der UN-Mission in Mali "Minusma" wird, an der auch knapp eintausend Bundeswehrsoldaten beteiligt sind, steht in den Sternen. UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor einer "alarmierenden Ausbreitung" der Aktivitäten des "Islamischen Staats" (IS) in Afrika – als Konsequenz des Siegs der Taliban im Tausende von Kilometern entfernten Kabul.

Entweder mit Al-Kaida oder dem IS verbündete Extremisten sind derzeit in fünf südlich der Sahara gelegenen Regionen aktiv: Außer in der Sahelzone im Norden Nigerias (Boko Haram), in Somalia (al-Schabab), vermutlich auch in der Demokratischen Republik Kongo (Allied Democratic Forces, ADF) sowie zumindest lose verknüpft mit den ebenfalls al-Schabab genannten Rebellen im Nordosten Mosambiks. Den Umtrieben der Extremisten fallen jährlich Zigtausende von Menschen zum Opfer: Daran hat auch die Beteiligung europäischer und US-Soldaten am "Kampf gegen den Terror" – zumindest beim Training heimischer Regierungssoldaten – nichts geändert. Auch in Somalia begannen die US-Streitkräfte schon zu Trump-Zeiten ihre Spezialeinheiten und Ausbilder abzuziehen – unwahrscheinlich, dass die Biden-Regierung diese Entscheidung wieder zurücknimmt.

Selbstbewusstsein gestärkt

Die Ereignisse in Afghanistan stärkten vor allem das Selbstbewusstsein der afrikanischen Islamisten, ist der Direktor des "Westafrikanischen Zentrums für Counter-Extremismus", Mutaru Mumuni Muqthar, überzeugt: "Sie sehen sich in ihren Umtrieben legitimiert". Schon seit längerer Zeit üben die Extremisten in einzelnen Regionen des Kontinents – wie im nordostnigerianischen Bundestaat Borno oder im ländlichen Somalia – die Regierungsgewalt aus: Sie leisten Dienste, die von den kollabierenden Staaten nicht mehr gewährleistet wurden. Doch den Terror könne man nur dadurch bekämpfen, dass man der Bevölkerung eine bessere Alternative zum Leben unter den Extremisten biete, meint der südafrikanische Sicherheitsexperte Ryan Cummings: "Mit Waffen geht das nicht."

Die Bilder aus Kabul von der von Menschen erklommenen rollenden Herkules-Maschine wurden in Mali besonders aufmerksam verfolgt, heißt es. Wie die US-Regierung jetzt ihre afghanischen Verbündeten im Stich gelassen habe, werde sich auch Frankreich irgendwann in Mali aus dem Staub machen, meint der malische Anwalt Cheick Oumar Konaré: "Und wir bleiben mit dem terroristischen Wüterichen allein zurück." Der größte Fehler der amerikanischen Afghanistan-Politik sei der Ausschluss der Taliban von Gesprächen gewesen, räumte der ehemalige US-Präsidentenberater David Kilcullen jüngst in einem Webinar ein. In Afrikas Hochburgen der Extremisten gab es solche Gespräche bislang erst gar nicht. (Johannes Dieterich, 22.8.2021)