Ein Spiel, das vor allem mit seiner starken Geschichte und dem ungewöhnlichen Konzept überrascht.

Foto: Annapurna

Der namenlose Protagonist betritt seine kleine Wohnung. Im Bad hört er seine Frau summen, die kurz darauf gut gelaunt erscheint und ihn mit einem Kuss begrüßt. Die Idylle, die mit einem Dinner für Zwei und einer kleinen Überraschung wohlig fortgeführt werden sollte, wird jedoch jäh unterbrochen. Nach zwölf Minuten läutet ein Mann an der Tür, der alles verändern sollte. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt und eine Geschichte, die auch ein guter Lese-Krimi hätte werden können.

Xbox

Adventure

Nun dürfen wir diesen Krimi aber selbst spielen, Gott sei Dank. Wie in alten Adventures klicken wir uns durch die wenigen Räume und nehmen einige Gegenstände auf. Die Möglichkeit, Dinge zu kombinieren, etwa Schlaftabletten mit einer Tasse Wasser oder verschiedene Gegenstände mit Personen, erinnern ebenfalls an längst vergangene Gaming-Tage und wirkt vielleicht auch deshalb vertraut.

Zunächst scheinen die Möglichkeiten stark begrenzt, da sowohl der Schauplatz klein und die Anzahl an auswählbaren Gegenständen überschaubar ausgefallen ist. Man stolpert also zunächst mehr durch die Szene, lernt die Umgebung kennen und dann läutet es schließlich an der Tür und der eingangs erwähnte dritte Mann betritt die Szene. Nach einem kurzen Dialog und dem Tod des Protagonisten findet man sich am Anfang der Geschichte wieder und merkt, dass man sich in einer Zeitschleife befindet. Irritiert versucht man Dinge anders zu machen, Reihenfolgen zu verändern. Dann läutet es wieder.

Durch das Interagieren mit den zwei anderen Personen erscheinen neue Dialogoptionen, die die Geschichte weiterspinnen. Offenbar muss man aber noch ein Detail im Raum finden, bevor man ein Stück weiterkommt. Dann läutet es wieder.

Man merkt, es geht um Reihenfolgen, nicht alles kann man in einem "Take" schaffen. Gestresste Naturen fluchen, über die immer wiederkehrenden Szenen und die sich wiederholenden Dialoge. Gut, dass man diese vorspulen kann. Dann läutet es wieder.

Ein neuer Hinweis, eine neue Szene. Plötzlich sieht man sich neuen Verästelungen der Story gegenüber. Was soll man mit den neuen Gegenständen machen? Jetzt nutzen oder doch erst beim nächsten Mal? Zu lange gezögert, denn es läutet wieder.

Dieser Raum ist das Zentrum der Geschichte.
Foto: Annapurna

Geduld ist eine Tugend

Wer sich an dem eigenwilligen, aber höchst interessanten Spielekonzept nicht stößt, erlebt eine spannende Kriminalgeschichte, die mehrere Enden bereithält. Will man alle sehen oder zumindest eines, das nicht traurig macht, wird man wohl fünf bis sechs Stunden mit "Twelve Minutes" verbracht haben. Durch die professionellen Sprecher, unter anderem wurden Willem Dafoe und Daisy Ridley verpflichtet, und einige Überraschungsmomente, fühlt man sich zumeist gut unterhalten. Dass das Spielkonzept, das vor zwei Jahren auf der E3 angekündigt wurde, nicht die Komplexität eines Open-World-Rollenspiels hat, sollte jedem klar sein, doch gibt es tatsächlich auch Kritikpunkte abseits der kurzen Spielzeit.

Für Konsolenspieler, das Spiel erscheint für Xbox und PC, fühlt sich die Steuerung leider ein wenig umständlich an. Man bewegt einen Mauszeiger über den Bildschirm, was mit einem Controller einfach nicht immer optimal funktioniert und vor allem wesentlich länger dauert, als die Eingabe mit Maus. Zudem hat man sich keinen Gefallen getan, dass man irrsinnig restriktiv ist, was die Entscheidungsfindung betrifft. Vielleicht liegt es an den kurzen Intervallen, aber man fühlt sich nicht gerade in Entdeckungs- oder Tanzlaune, wenn in wenigen Minuten alles von vorne beginnt.

Timings müssen immer exakt eingehalten werden, sonst erreicht man bestimmte Textpassagen nicht, die für den nächsten Intervall wichtig sind. Auch später eingeforderte Telefonanrufe müssen getätigt werden, ohne dass das Spiel oder die Story eindeutig darauf hinweisen. So kann schonmal Frust entstehen, wenn man bei der Hälfte der Szene merkt, dass ein Puzzlestein fehlt und man von vorne starten muss. Klar, es geht um eine Zeitschleife, aber dennoch fühlt man sich vom Spiel gelegentlich missverstanden.

Interessante Perspektive

Die kleine Besetzung macht ihre Sache außerordentlich gut, allein mit den gesprochenen Worten und ohne Möglichkeit der Mimik, die richtige Stimmung zu erzeugen. Die Perspektive von oben war hier sicher eine Herausforderung, die aber gemeistert wurde. Mit einem starken Soundtrack untermalt, fühlt man sich zu jeder Zeit in der Szenerie gefangen. Auch das Spiel mit dem Licht und die meisten Animationen wissen zu gefallen. Hie und da überschneiden sich Figuren unglücklich, das tut dem Geschehen allerdings keinen Abbruch.

Collider Exclusives

Fazit

Luis Antonio, der Mann hinter "Twelve Minutes", hatte eigentlich ein Spiel vor Augen, das in einer kleinen Ortschaft einen ganzen Tag hätte immer und immer wieder passieren lassen sollen. Der Aufwand schien für das kleine Team allerdings zu groß, weshalb er die Idee auf einige Minuten und eine kleine Wohnung reduzierte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, verlangt es vom Spieler doch höchste Konzentration, um aus der komplexer werdenden Geschichte die richtigen spielerischen Schlüsse zu ziehen.

Nach mehreren Jahren Entwicklung hätte man sich jedoch ein paar mehr Möglichkeiten, ein paar mehr spielerische Freiheiten und vielleicht sogar einen "zweiten Akt" in einem anderen Setting erwarten dürfen. Uneingeschränkt empfohlen kann "Twelve Minutes" deshalb nicht werden, aber in jedem Fall wird all jene Spieler ansprechen, die ohnehin nicht so viel Zeit haben und trotzdem eine gut geschriebene Geschichte zu schätzen wissen. Ein wenig Geduld vorausgesetzt, versteht sich.

Das Spiel ist mit englischer Sprachausgabe und mit deutschen Untertiteln verfügbar. Rund 20 Euro kostet "Twelve Minutes" etwa auf Steam oder im Xbox-Store. Wer den Gamepass Ultimate besitzt, kann das Spiel ab sofort kostenlos herunterladen. (Alexander Amon, 22.8.2021)