Birgit Hebein hat die grüne Partei hinter sich gelassen. Grün oder das, was sie sich unter grüner Politik vorstellt, hingegen nicht.

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Wien – Birgit Hebein wählte ihre Facebook-Seite als Kommunikationskanal, um am Sonntag kundzutun, dass sie ihre Partei, die Grünen, hinter sich gelassen hat. Und zwar radikal: Die ehemalige Chefin der Wiener Grünen ist nämlich ausgetreten, wie sie in ihrem Facebook-Post schreibt: "Ja, es stimmt: ich habe vor einigen Tagen meinen sofortigen Austritt aus der Grünen Partei bekanntgegeben. Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen erreicht nicht mehr mein Herz."

Viele Menschen würden "auf das Kämpfen der Grünen für den Klimaschutz, für ein Überleben unseres Planeten" vertrauen. Als Mitverhandlerin der türkis-grünen Koalition erkenne und kritisiere sie aber, "dass dabei unsere Demokratie, der gesellschaftliche Diskurs, der Rechtsstaat, das Parlament und die Medien sich in eine türkis-autoritäre Richtung entwickeln und der türkise Weg weitergeht, als wäre nichts gewesen", schreibt Hebein.

"Wir haben Hoffnung zerstört"

Sie vermisst "klare grüne Haltungen" und "Einsatz für Menschenrechte" und sieht die Grünen "mit dem ohnehin gewagten Versuch der Strategie, mit einer Regierungsbeteiligung für eine Kurskorrektur zu sorgen, an Grenzen angelangt. Damit haben wir Hoffnung zerstört."

Zumindest sie habe diesen Punkt erreicht und ziehe daher die Konsequenzen. "Das ist nichts, was nach meinem Rückzug aus der Parteipolitik vor fast acht Monaten öffentlich interessant wäre", teilte Birgit Hebein ihren Facebook-Bekannten mit und fügt hinzu: "Gäbe es da nicht einen Punkt, der durch die Gespräche wieder deutlich geworden ist: Die türkise Partei begeht Vertragsbruch."

Diesen harten Vorwurf begründet Hebein folgendermaßen: "Die türkise Partei handelt im Widerspruch zu der Vereinbarung bei den Koalitionsverhandlungen: Bundeskanzler Kurz hat zugesichert, dass Österreich 'nie vorpreschen wird, um Flüchtlinge aufzunehmen, aber er ist gesprächsbereit, wenn andere Länder vorangehen'. Diese Zusage wurde bereits letztes Jahr im Herbst bei der Aufnahme von Menschen auf der Flucht aus Moria (intern heftig diskutiert und mit Hoffnung, dass es zu Weihnachten gelingt) und wird jetzt wieder gefährlich populistisch mit dramatischen Folgen durch Innenminister Nehammer torpediert. Andere Länder, wie Deutschland, gehen selbstverständlich voran, um zumindest zu versuchen, gefährdete Menschen aus Afghanistan zu holen (an den militarisierten Grenzen werden seit Jahren Menschen brutal ohne Verfahren zurückgeschoben), der türkise Weg wird unbeirrt unter grüner Regierungsbeteiligung fortgesetzt."

Die Ex-Grüne verweist in dem Zusammenhang an die Abschiebung zweier Schülerinnen, "obwohl im Koalitionsvertrag festgehalten wird, dass unter Türkis-Grün 'kein Kind zurückgelassen wird'".

Hebein schließt schließlich mit der Hoffnung, dass ihr Statement vielleicht "das Engagement von diejenigen in der Partei, wie u.a. Ewa Dziedzic und Vicky Spielmann, die für Menschenrechte einstehen", unterstütze.

Wiener Grüne "respektieren" Austritt

Die Wiener Landespartei kommentierte den Schritt der Ex-Chefin folgendermaßen: "Wir respektieren den formalen Austritt von Birgit Hebein aus der Grünen Partei, für die sie viele Jahre als Aktivistin, Abgeordnete und Vizebürgermeisterin aktiv war." Über ihre Beweggründe könne sie selbst am besten Auskunft geben, hieß es in der an die APA übermittelten Stellungnahme.

"Für uns Wiener Grüne war und ist immer klar: Wien ist Menschenrechtsstadt. Dafür setzten wir uns auch gerade jetzt ein. Die Menschenrechte und ihre Erklärung sind unteilbar und unantastbar. Sie sind unmissverständlich, alternativlos und die größte Errungenschaft unserer Gesellschaft. Dafür treten wir als Wiener Grüne ein", wurde betont.

Die Wiener SPÖ äußerte sich wohlwollend. "Spät, aber doch hat Hebein eingesehen welch Geistes Kind Kurz in Wahrheit ist. Rund um die Koalitionsverhandlungen 2019 sah es noch anders aus. Aber dazulernen ist etwas Positives", postete die Partei auf Twitter. Klar sei jedenfalls, so hielt man fest, dass Wien auch in Zukunft das Gegenmodell zur "inhumanen Bundesregierung" bleibe.

Hebein war von Juni 2019 bis November 2020 Wiener Vizebürgermeisterin und Stadträtin u.a. für Stadtentwicklung und Verkehr. Nach der Landtagswahl 2020, nach der sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gegen eine Neuauflage von Rot-Grün und für die Neos als neuen Koalitionspartner entschieden hatte, blieb Hebein noch bis Anfang 2021 Chefin der Wiener Grünen. Zuvor war sie parteiintern weder für den Klubvorsitz noch für eine der beiden Stellen als nicht amtsführende Stadträtin ausgewählt worden, woraufhin sie bekanntgab, auf ihr Gemeinderatsmandat zu verzichten. Mit Jahresbeginn 2021 legte sie schließlich auch den Parteivorsitz zurück. (Lisa Nimmervoll, 22.8.2021)