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Wenige Infektionen mit Covid-19 unter Arbeitern genügen, damit China große Containerhäfen lahmlegt.

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Schanghai – Am Freitagabend war es wieder so weit: Der Frachtflughafen in Schanghai, einer der größten der Welt, sagte bis auf weiteres alle Flüge ab. Der Grund: Kurz vorher waren Corona-Infektionen bei zwei Mitarbeitern entdeckt worden. Pekings Zero-Covid-Politik führt dazu, dass nur wenige Infektionsfälle genügen, um auch für die Weltwirtschaft wichtige Nadelöhre wie den Flughafen Pudong in Schanghai lahmzulegen.

Dasselbe geschah vor einigen Wochen mit dem Containerhafen Ningbo, ebenfalls einer der größten der Welt. Weil es unter einigen Hafenarbeitern zu Covid-Infektionen gekommen war, wurde der Hafen vorübergehend geschlossen. In der Folge stauten sich hunderte Containerschiffe in der Bucht von Hangzhou.

Flaschenhals-Inflation

Die Verzögerungen führen zu einem Preisanstieg für zahlreiche Güter der Weltwirtschaft. Denn wer dringend auf Ersatzteile oder bestimmte Rohstoffe angewiesen ist, erhöht den Preis. "Bottleneck-Inflation" heißt das im Wirtschaftsjargon, "Flaschenhals-Inflation". Diese Preisanstiege sind – zumindest in der Theorie – vorübergehend. Sobald die Güter wieder transportiert werden können, sollten auch die Preise wieder fallen.

Die Preise für Bauholz etwa verdreifachten sich von Jänner bis Mai dieses Jahres, nur um daraufhin innerhalb von zwei Monaten wieder auf ihr Ausgangsniveau zurückzufallen. Ähnliche, wenn auch nicht ganz so drastische Kursverläufe gab es bei wichtigen Metallen wie Kupfer, Zink und Aluminium.

Konjunktur kühlt sich ab

Um die Preise stabil zu halten, kündigte Peking deswegen im Juni an, Reserven auf den Markt zu werfen. Dabei sind steigende Preise im Moment nicht die größte Sorge in China. Derzeit nämlich deutet sich dort vielmehr eine Verlangsamung der Konjunktur an.

Der für das Wirtschaftswachstum in China so wichtige Immobiliensektor kühlt sich merklich ab. Das Verkaufsvolumen sank im Juli um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Evergrande, einer der größten Immobilienkonzerne des Landes, steckt gerade in Zahlungsschwierigkeiten. Das wiederum führt zu einem Rückgang der Nachfrage bei Gütern wie Zement und Stahl. Das ist zu einem großen Teil politisch gewollt, da die Immobilienpreise in vielen Städten an der Ostküste als überhitzt gelten. Und aufgrund rigoroser Maßnahmen wegen neuer Corona-Infektionen schwächelt auch der private Konsum etwas.

Eiserne Reserve an Schweinen

Wesentlich größere Sorgen bereiten der Regierung in Peking ohnehin traditionell die Preise für Lebensmittel. Die Flutkatastrophe in der Provinz Henan im vergangenen Juni weckte Ängste, die verlorenen Ernten könnten zu einem Preisanstieg bei Reis und Getreide führen. Und wenn Essen für die Bevölkerung teurer wird, drohen soziale Spannungen – ein absoluter Gräuel für die stabilitätsbesessene kommunistische Partei. Die Volksrepublik ist deswegen das – wahrscheinlich einzige – Land mit einer eisernen Reserve an Schweinehälften. Die genaue Menge ist geheim.

Allerdings waren im Sommer weniger Preisanstiege das Problem, als vielmehr ein Kursrückgang. Noch 2018/2019 kämpften chinesische Bauern mit der Schweinegrippe, die die Bestände reduziert hatte. 2021 aber fielen die Preise wesentlich stärker als erwartet. Im Juni lagen sie mit 15 Yuan (knapp zwei Euro) unter der Gewinnschwelle für die meisten Schweinebauern. Ende Juli verkündete die Regierung deshalb, die Reserve umgehend aufzustocken und die Preise zu stabilisieren.

Lockerere Geldpolitik

Die chinesische Zentralbank hat deswegen auch angekündigt, die Geldpolitik zu lockern. Der Mindestreservesatz wurde im Juli um 50 Basispunkte gesenkt. Im kommenden Jahr könnte die People’s Bank of China auch den Leitzins senken. Nach der letzten großen Wirtschaftskrise 2009 hatte Peking mit einem gigantischen Infrastrukturprogramm die globale Wirtschaft gerettet.

Dieses Mal ist man vorsichtiger. Denn die Folgen des Wirtschaftsbooms waren auch Geisterstädte, Brücken, die ins Nirgendwo führten, und Milliarden von faulen Krediten – und nicht zuletzt waren auch die politischen Beziehungen zwischen Washington und Peking völlig anderer Art. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 23.8.2021)