Innsbruck/Salzburg – Am Wochenende wurde auf der Tiroler Inntalautobahn erneut ein Wolf angefahren und tödlich verletzt. Es ist bereits der zweite Vorfall diesen Sommer. Schon Anfang Juni wurde auf der Europabrücke der Brennerautobahn ein Wolf überfahren. Die Unfälle befeuern die ohnehin hitzig geführte Debatte um die Rückkehr der Beutegreifer in Österreichs Wälder.

Wie schon in den vergangenen Sommern sorgen Schafrisse auf Almen für Unmut unter Landwirten, die ihr Vieh aus Angst vor dem Wolf frühzeitig von den Sommerweiden holen. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) forderte Anfang Juli, sogenannte Problemwölfe abschießen zu können, denn die friedliche Koexistenz von Wölfen und Almwirtschaft sei eine Illusion. Bis Juli ist es laut Ministerium zu mehr als 200 Rissen durch Wölfe gekommen. Betroffen waren vor allem Salzburg, Tirol, die Steiermark und Kärnten.

Am frühen Sonntagmorgen wurde ein junger männlicher Wolf auf der Inntalautobahn bei Pettnau angefahren und tödlich verletzt.
Foto: APA/LPD Tirol

Die bisherigen Anträge auf einen Abschuss von Wölfen wurden jedoch in letzter Instanz abgewiesen. In Salzburg etwa stellte 2019 eine Almgemeinschaft im Großarltal nach mehreren Rissen den Antrag auf eine sogenannte Entnahme des Wolfs. Ein Jahr später entschied die Bezirkshauptmannschaft und gab grünes Licht. Doch das Landesverwaltungsgericht hob im Dezember den Bescheid nach Einsprüchen von Naturschützern auf.

Abschuss nach 25 Rissen in Salzburg

Um die Verfahrensdauer abzukürzen, hat sich die Salzburger Landesregierung Ende Juli auf einen neuen Umgang mit Wölfen geeinigt. Auch bei den Grünen, die zustimmten, scheint es ein Umdenken beim strengen Schutz des Wolfs zu geben. Über das Jagdrecht gibt es nun in Salzburg eine Abschusserlaubnis für Wölfe, die mehr als 25 Nutztiere gerissen haben. Die Verordnung ist am 20. August in Kraft getreten.

Als Maßnahmengebiet wurden die Jagdgebiete Rauris, Kaprun-Fusch und Gastein festgelegt. In diesen Regionen darf ein "Problemwolf" abgeschossen werden, wenn er mehr als 25 Nutztiere innerhalb eines Monats getötet hat. Vorgesehen ist eine Frist von vier Wochen für die Entnahme, diese beginnt immer nach einem Rissvorfall zu laufen. Laut dem Wolfsbeauftragten Hubert Stock ist die Verordnung ein Vorteil gegenüber den langwierigen Verfahren.

Laut WWF ist die Verordnung rechtswidrig

Aktuell könne mit der Verordnung jedoch kein Wolf geschossen werden, da die letzten Risse in Rauris länger als vier Wochen zurückliegen. "Erst wenn es neue Vorfälle gibt, wäre eine Entnahme möglich. Allein das zeigt, wie streng die Rahmenbedingungen sind", sagt Stock. Die Verordnung könnte zum ersten erlaubten Wolfsabschuss in Österreich seit der Rückkehr der Tiere führen.

Der WWF kritisierte den Salzburger Vorstoß in einer Stellungnahme scharf. Die Abschusspläne seien in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. So stelle die Verordnung nicht sicher, dass nur das zum Abschuss freigegebene Tier bejagt werde. Zudem widerspreche die Festlegung einer willkürlich gewählten Anzahl von Nutztierverlusten dem EU-Naturschutzrecht. Die Naturschützer forderten daher eine ersatzlose Streichung der Verordnung und ein zielführendes Wolfsmanagement.

Anonymes Fachgremium in Tirol

Auch in Tirol traten neue Bestimmungen im Almschutz- und Jagdgesetz in Kraft, die eine raschere Entnahme von Wölfen und Bären ermöglichen sollen. Dazu wurde ein weisungsfreies Fachkuratorium installiert, dessen Aufgabe es ist, das Verhalten großer Beutegreifer laufend zu beurteilen und entsprechende Maßnahmen – die bis zum Abschuss reichen können – zu empfehlen. Dazu wurden sogenannte Weideschutzgebiete festgelegt. Das sind Almen, auf denen Herdenschutzmaßnahmen nicht umsetzbar sind. Das öffentliche Interesse an der Bewirtschaftung der Almflächen wurde gesetzlich verankert.

Noch fehlt der Regierungsbeschluss für die Geschäftsordnung, aber eine erste informelle Sitzung des Gremiums habe bereits stattgefunden, heißt es seitens des Landes. Das neue Tiroler Fachgremium wird aus insgesamt vier stimmberechtigten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Tierwohl, Agrarwirtschaft und Naturwohl sowie dem Vorsitz bestehen. Die Namen der dort handelnden Personen werden zu deren eigenem Schutz nicht veröffentlicht, gab das Land bekannt. Denn das Thema wird nach wie vor emotional diskutiert.

Erste Abschussfreigabe in Kärnten

Die Beschlüsse des Tiroler Fachkuratoriums bedürfen einer einfachen Mehrheit. Die Landesregierung werde dann der Empfehlung des Kuratoriums folgen und eine Verordnung erlassen. Die Jagdbehörde, so der Plan, nimmt dann einen bestimmten Wolf oder Bären per Bescheid von der jagdlichen Schonzeit aus.

In Kärnten will das Land mit Salzburg gleichziehen. Noch bevor die Verordnung zum Abschuss in Kraft tritt, hat das Land bereits einen Abschussbescheid für Wölfe auf drei Almen ausgestellt. Nachdem 56 Nutztiere gerissen worden sind, darf bis zum 30. September der Wolf auf den betroffenen Gailtaler Almen "entnommen" werden. (Steffen Arora, Stefanie Ruep, 26.8.2021)