Auf Führungskräfte kommt abseits der geltenden Homeoffice-Regeln noch einiges zu.

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Auch Führungskräfte wollen im Homeoffice arbeiten. Laut dem jüngsten Managementreport des Hernstein-Instituts sehen sich sogar zwei Drittel der Chefinnen und Chefs künftig zwei Tage zu Hause und drei im Büro. Mehr als die Hälfte erachtet die eigene Wohnung als dafür voll und ganz geeignet. 30 Prozent geben an, ihre Tätigkeit erlaube ein solches Hybridmodell nicht, fünf Prozent dürfen nicht.

Beim Blick auf ihre Teams erwarten 54 Prozent der über 1600 Befragten im deutschsprachigen Raum, dass künftig verstärkt von zu Hause aus gearbeitet wird. Das entspricht allen bis jetzt erhobenen Wünschen internationaler Bürogeher: Jeder Zweite ist bereit, sich einen anderen Job zu suchen, wenn Bürozwang wiederkommt (EY-Umfrage unter 16.000 Arbeitenden).

Sogar rund fünfprozentige Gehaltseinbußen zugunsten von Homeoffice werden freiwillig in Kauf genommen, wie der US-Versicherer Breeze kürzlich erhob. Jobportale erleben aktuell einen Run auf Stellen mit explizit formulierter Flexibilität des Arbeitsortes. Marius Luther, Gründer und CEO des Tech-Jobportals Hey Jobs, berichtet aus der Tech-Branche, die unter extremer Fachkräftenot leidet, dass Jobangebote mit Homeoffice-Möglichkeit jüngst knapp 143 Prozent mehr Bewerbungen einbrachten.

Da kommt noch was

Alles in Butter und sonnenklar für die hybride Arbeitszukunft? Das könnte man beim Durchlesen des Hernstein-Reports durchaus annehmen, denn dort ist von Problemen mit dem Homeoffice keine Rede. Negative Einflüsse auf soziale Strukturen können die Führungskräfte dort auch nicht erkennen.

Das steht in krassem Gegensatz zu Befragungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in der Pandemie überwiegend im Homeoffice waren. Der deutschen Forsa-Umfrage zufolge klagt jeder dritte Beschäftigte im Homeoffice über gesundheitliche Probleme.

36 Prozent der Befragten geben an, wegen eines "mangelhaften, nicht-ergonomischen Arbeitsplatzes" seien bei ihnen Verspannungen im Rücken und Kopfschmerzen aufgetreten. Das spiegelt sich offenbar auch in mehr Krankenstandstagen wider.

32 Prozent der Befragten stellen bei sich längere oder für sie normalerweise unübliche Arbeitszeiten fest, etwa am Abend oder am Wochenende. Die Büropräsenzkultur ist also streckenweise einer Erreichbarkeitskultur gewichen.

Nicht wahrgenommen

Auch als ein größeres Problem werden Störungen durch die Wohnsituation oder den Alltag empfunden (30 Prozent). Jeder vierte Beschäftigte im Homeoffice fühlt sich durch den Arbeitgeber oder Chef nicht ausreichend wahrgenommen.

34 Prozent der Befragten bemängeln, dass ihr Arbeitsplatz nicht ausreichend ausgestattet sei – sie nennen dabei vor allem einen zu kleinen Bildschirm oder ein instabiles Internet. Jeder Fünfte beklagte Probleme mit der IT-Ausstattung (21 Prozent).

Da kommt auf Führungskräfte also noch einiges zu, was die Arbeitsgesundheit, die Diversität in den Teams sowie Teilhabe und Fragen der Beförderung betrifft. Dass sich ganz neue Themen der Fairness und Gerechtigkeit zwischen denen, die flexibel arbeiten dürfen, und den anderen in vielen Konzernen stellen, ist ebenfalls eine der großen Baustellen. Wobei: Google hat schon angekündigt, im Homeoffice 25 Prozent weniger zu bezahlen.

Neue Aufgaben

Dass Führung in diesem Kontext viele neue, zusätzliche Rollen und Pflichten erhält, scheint noch nicht ganz durchgedacht. Dass die über die vergangenen Jahre getätigten Investitionen in die Unternehmenskultur – durchwegs ausgehend von Präsenz im Büro – wohl großteils abgeschrieben werden müssen, ist noch gar nicht untersucht.

Dabei ist auch noch nicht klar, wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln könnte – Stichwort Mutationen. Nicht einberechnet ist außerdem, wie mit Belegschaften, die zwischen Impfen und Impfverweigerung gespalten sind, zu verfahren ist. Google und Facebook sind bereits vorgeprescht und verlangen für alle, die ab Oktober ins Büro zurückkehren, eine Impfung. CNN hat Mitarbeitern, die ungeimpft erschienen sind, die Verträge gekündigt. Diskussionen darüber sind auch hierzulande entbrannt.

Wer kontrolliert?

Dazu wird sich überall früher oder später abseits der geltenden Homeoffice-Regelung in Österreich mit ihrer Steuerfrei-Pauschale von jährlich 300 Euro die Frage der Abgeltung der Kosten neu stellen. Eine Homeoffice-Pauschale könnte jede Firma, wie sie möchte, zahlen, allerdings sei das nicht üblich, berichtet Arbeitsrechtler Stefan Zischka (Deloitte Legal). "Administrativ zu aufwendig", wie er begründet. Tatsächlich Kopfzerbrechen mache seinen Klienten (vom Konzern bis zum KMU) die Einhaltung der Arbeitsschutz-Gesetzgebung im Homeoffice. Das Arbeitsinspektorat darf in die Wohnung ja nicht einfach einmal so kontrollieren kommen. Arbeitsmediziner durch die Homeoffices schicken geht auch nicht einfach so. Klagen gebe es derzeit (noch) nicht, für Zischka ist das allerdings ein heikles Terrain für die kommenden Monate.

Besonders unklar ist seiner Erfahrung zufolge auch die Situation von Mitarbeitern, die im Ausland Homeoffice-Arbeit erledigen. Da bedürfe es dringend einer Harmonisierung auf europäischer Ebene, appelliert er an Arbeitsminister Martin Kocher. (Karin Bauer, 25.8.2021)