Es ist sechs Jahre her, dass Sebastian Kurz, damals noch Außenminister, das "australische Modell" als Vorbild für die Flüchtlingspolitik der EU und Österreichs propagierte – und viel Kritik dafür erntete. Denn Australien geht mit brutaler Härte gegen illegale Einwanderer vor. Aber zum australischen Modell gehört auch, dass das Land aktiv Resettlement betreibt, also tausende Flüchtlinge aus humanitären oder wirtschaftlichen Motiven auf geregelte Weise aufnimmt. Auch Kurz erklärte damals, dass für Österreich 10.000 bis 15.000 Flüchtlinge im Jahr bewältigbar seien.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
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Die Aufnahme von Afghanen, die Verfolgung durch die Taliban fürchten, wäre ein perfektes Beispiel für ein solches Resettlement – und wird zu Recht von der EU-Kommission gefordert. Aber Kurz und seine neue ÖVP wollen davon nichts mehr hören. Sie warnen vor einem imaginären "Pull-Effekt" und attackieren jene, die nun ihre einstige Position einnehmen.

Vielleicht hat Kurz sein Ja zum Resettlement schon damals nicht ernst gemeint. Vielleicht hat er seither jedes Interesse an politischen Inhalten verloren und verfolgt nur noch das Ziel, mit einem Nein zu jeder Zuwanderung Wahlen zu gewinnen.

Österreich unter Kurz hat sich jedenfalls vom australischen Modell verabschiedet und folgt nun dem nationalistischen, illiberalen und letztlich irrationalen Kurs von Polen und Ungarn. Das ist ein Wandel, der viel mehr Angst machen kann als ein paar zusätzliche Flüchtlinge im Land. (Eric Frey, 23.8.2021)