Die neuen Richtlinien verdrängen zahlreiche Creators von Onlyfans oder zwingen sie, ihr Angebot zu reduzieren – und gefährden damit potenziell ihren Lebensunterhalt.

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Gestartet vor fünf Jahren als Plattform für die "Direktvermarktung" von Inhalten von Creators an ihre Fans, hat sich Onlyfans insbesondere im Bereich Erotik und Pornografie etabliert. Gerade während der Pandemie begann das Geschäft mit nackter Haut im Gegenzug für monatliche Abogebühren zu boomen. Oft suchten junge Menschen, mehrheitlich Frauen, einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise in ihrem Land.

Vor kurzem hat die britische Plattform die Einführung neuer Richtlinien angekündigt, die am 1. Oktober wirksam werden. Konkret sollen "explizite" Inhalte dann nicht mehr veröffentlicht werden und existierender Content der Hardcore-Kategorie gelöscht werden. Die Folge dürfte ein beachtlicher Exodus an Nutzern und Inhalten sein.

Mastercard stellt um

Vordergründig spricht man bei Onlyfans davon, damit die Inklusivität der Plattform erhalten und die Langlebigkeit des Angebots sichern zu wollen. In anderen Worten: Man möchte sich damit interessanter für Investoren machen, die – auch im Lichte der Vorwürfe gegen den Pornoriesen Mindgeeks und erschütternden Vorfällen wie der Causa "Girls Do Porn" – bei Erwachsenangeboten sexueller Natur sehr vorsichtig geworden sind. Auch Onlyfans stand schon einmal in der Kritik, nachdem die BBC aufdeckte, dass die Jugendschutzmechanismen versagten und einschlägige Inhalte mit Minderjährigen angeboten wurden.

Hauptgrund für den plötzlichen Sinneswandel der Betreiber dürften aber neue Vorgaben des großen Zahlungsdienstleisters Mastercard sein.

Eine kurze, prägnante Erklärung zu den Änderungen seitens Mastercard und den Folgen bei Onlyfans.

Auch dieser zog Konsequenzen aus den Enthüllungen der letzten Jahre und verschärft seine Vorgaben für alle, die seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Gemessen an der Anzahl der Transaktionen (Stand 2019) hält Mastercard laut Daten von Shift Processing alleine bei Kreditkarten einen weltweiten Marktanteil von rund 32 Prozent. Damit ist man neben dem Branchenprimus Visa (53 Prozent) der zweitgrößte Anbieter am Markt. Discover und American Express sind mit jeweils rund acht Prozent vergleichsweise kleine Player.

Umfassende Vorgaben

Für expliziten Content sieht Mastercard eine Reihe von Vorgaben vor. Künftig müssen Alter und Identität aller in Hardcore-Aufnahmen sichtbaren Personen dokumentiert werden, ebenso Alter und Identität der Personen, die für den Upload verantwortlich sind. Es muss außerdem ein Prüfprozess eingerichtet werden, in dem Plattformen die Vereinbarkeit der Inhalte und die Dokumente sicherstellen müssen, bevor eine Veröffentlichung stattfindet. Für Livestreams sollen Echtzeit-Überprüfungen eingerichtet werden.

Verlangt wird auch ein "Lösungsprozess", der es ermöglicht, dass Beschwerden über illegale oder nonkonsensual hochgeladene Inhalte binnen sieben Werktagen behandelt werden. Und zu guter Letzt soll es auch ein Widerrufsverfahren geben, das es Personen, die in einem expliziten Werk zu sehen sind, ermöglicht, ihre Inhalte entfernen zu lassen.

Zwar sind Schritte gegen Kinderpornografie, Missbrauchsdarstellungen und nicht abgesprochene Uploads begrüßenswert, doch bei Onlyfans dürfte man eine Kosten-Nutzen-Rechnung angestellt haben. Und da die Einrichtung vieler der geforderten Mechanismen mit hohem Aufwand personeller und finanzieller Natur verbunden ist, hat man sich wohl lieber dazu entschieden, die eigenen Spielregeln zu ändern. Dass sowohl die neuen Vorgaben von Mastercard als auch die überarbeiteten Richtlinien von Onlyfans jeweils ab Oktober greifen, ist kein Zufall.

Missliche Lage für Creators

Für viele Creators erschwert dies nun aber die Sexarbeit im Internet und gefährdet ihren Lebensunterhalt. Sie müssen sich nun mit einem Zeitfenster von gerade einmal anderthalb Monaten neue Pläne zurechtlegen. Manche von ihnen haben bereits angekündigt, Onlyfans gänzlich zu verlassen und sich eine neue Plattform zu suchen. Andere wiederum suchen einen neuen Dienstleister, betreiben aber auch ihren alten Auftritt weiter – allerdings nur noch mit "zahmeren", erlaubten Inhalten und zu deutlich reduzierten Preisen.

Sie müssen zudem penibel darauf achten, die wohl oft schwammig gezogene Grenze zwischen zulässiger Erotik – Nacktheit wird nicht grundsätzlich verboten – und "expliziten" Darstellungen nicht zu überschreiten.

Kritik vor dem Exodus

Wer von der Abwanderung profitieren wird, bleibt noch abzuwarten, zumal auch andere Plattformen womöglich schwer auf die Dienste von Mastercard verzichten können. Eine der beliebteren neuen Anlaufstellen scheint Fansly zu sein. Das Portal operiert weitestgehend nach dem Geschäftskonzept von Onlyfans und nimmt auch optisch Anleihe an seinem bekannten Vorbild. Laut einem Tweet der Betreiber erhält man derzeit rund 4.000 Verifizierungsansuchen pro Stunde und arbeitet an einer Ausweitung des Teams, um den Ansturm bewältigen zu können.

Die Vorgangsweise von Onlyfans sorgt seit ihrer Ankündigung für Kritik seitens der oft weiblichen Sexarbeiter und ihrer Unterstützer. Sie zu verdrängen sorge nur dafür, dass sie andere und potenziell riskantere Wege finden müssten, um ihrer Arbeit nachgehen zu können. Es sei außerdem beschämend, wie die Plattform nun mit den Menschen umgehe, die sie eigentlich erst groß gemacht hätten.

Die Geschichte wiederholt sich

Es ist nicht das erste Mal, dass eine große Plattform die Möglichkeiten zur Sexarbeit oder auch zum Ausleben der eigenen Sexualität im digitalen Raum einschränkt. Lange florierten etwa Fetisch-Content, Erotikkunst, queere, sexpositive und ähnliche Inhalte auf der Blogplattform Tumblr, ehe dort der Bannhammer auf "Erwachseneninhalte" niederging. Auf Reddit existieren diese Communitys zwar noch, werden aber von Suchfunktion und Empfehlungsalgorithmus nicht berücksichtigt und in ihrer Sichtbarkeit somit stark eingeschränkt.

Um Fotos und Videos professionell anbieten und damit ihr finanzielles Auslangen finden zu können, sind die allermeisten "NSFW"-Creators (Not Safe For Work) allerdings auf Dienstleister wie Onlyfans angewiesen, die wiederum nicht ohne Kooperation der großen Zahlungsanbieter operieren können. Plattformen, die darauf verzichten, schließen wiederum einen großen Teil ihres Publikums aus, das nicht bereit ist, auf einen anderen Payment-Service zu wechseln oder Umwege über Kryptowährungen zu nehmen. Der Effekt dürfte damit längst nicht nur auf Onlyfans beschränkt bleiben, sondern auch auf anderen Portalen spürbar werden. (gpi, 24.8.2021)