So wie der Tag nicht vor dem Abend zu loben ist, lässt sich die Organisation von Olympischen Spielen abschließend erst nach den folgenden Paralympischen Spielen bewerten. Beispielgebend war diesbezüglich London 2012, als das Treffen der olympischen Familie retrospektiv fast wie ein besseres Aufwärmen für ein Hochamt der Inklusion wirkte. Sportlerinnen und Sportler mit körperlichem Handicap fanden zumindest gleichwertige Bedingungen und restlos ausverkaufte Hallen und Stadien vor. Der Trailer Meet the Superhumans gilt als größter Marketingerfolg in der Geschichte des TV-Senders Channel 4, der Rekordquoten einfuhr.

Tokios Ausgangsposition ist pandemiebedingt schwieriger, den olympischen folgen paralympische Geisterspiele, die wohl ähnlich perfekt organisiert, aber im staatlichen Sender NHK weniger präsent sein werden. Auffällig ist allerdings, dass kaum von einer Absage der Paralympics wegen Corona die Rede war, während in Umfragen bis zu zwei Drittel für die Absage von Olympia plädierten. Den Paralympischen Spielen wird in einem Land, das 2014, als erst 140. Staat, die UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifizierte, hohe soziale Bedeutung beigemessen. Punkto Barrierefreiheit weit fortgeschritten, begreift Japan die Paralympics als ideale Gelegenheit zur Bewusstseinsbildung – zumindest eine gute Voraussetzung für abendliches Lob. (Sigi Lützow, 24.8.2021)