Die Gaming-Industrie sollte damit aufhören, alte Spieleserien wiederzukäuen – und auf Innovation setzen.

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Eigentlich kann ich mich noch daran erinnern, als sei es gestern gewesen: Der Sommer steht vor der Tür, und mit ihm die E3 und Gamescom; also die weltweit größten Gaming-Messen, auf denen die wichtigsten Spieleentwickler und Hardware-Hersteller ihre neuesten Kreationen präsentieren, um meine Vorfreude auf den kommenden Herbst zu schüren. Nicht selten habe ich damals ganze Abende geopfert, um mir zig Trailer anzusehen, damit mir ja nichts entgeht. Doch wenn ich ehrlich bin, fesseln mich diese schon länger nicht mehr. Zwar verfolge ich die Branche schon allein aus beruflichen Gründen weiterhin mit Argusaugen, doch frage ich mich immer häufiger, ob Games einfach langweiliger werden – oder es an mir selbst liegt.

Wer kann es einem übelnehmen, bedenkt man doch, dass GTA 5 zum gefühlt zehnten Mal neu auflegt wird, während Skyrim schon wieder ein Remaster spendiert bekommt und die immer actionreicheren Call of Duty-Trailer primär zum Einschlafen animieren. Zuletzt verspielte sogar CD Projekt Red wegen des Debakels rund um Cyberpunk 2077 das Vertrauen der Fans, die das Unternehmen lange als die letzte Bastion des fairen Umgangs mit Kunden in die Höhe lobten. Zwar hat mich Cyberpunk keinesfalls enttäuscht, wie man auch im Testbericht nachlesen kann, meine einstigen Erwartungen hat es aber trotzdem nicht erfüllt. Und seien wir uns ehrlich: Egal wie viele Patches Version 1.3 noch folgen werden, das versprochene Rollenspiel wird es in diesem Leben nicht mehr werden.

Masse statt Klasse

Stattdessen wird der Markt zusehends mit Free-to-Play-Titeln à la Fortnite überschwemmt, mit denen Spieler jahrelang wie eine Milchkuh gemolken werden können. Schnell kosten kosmetische Elemente (also sogenannte Skins, zum Beispiel ein andersfarbiger Helm oder eine neu designte Waffe) in diesen Spielen zehn Euro oder mehr. Dazu kommen sogenannte Battle- oder Season-Pässe, mit denen treue Fans alle paar Monate erneut zur Kasse gebeten werden können. Ein Konzept, dem auch das im Herbst erscheinende Halo Infinite zum Opfer gefallen ist, dessen Veröffentlichung nach Kritik um ein Jahr verschoben wurde.

Und klar, für kurzweilige Spielsitzungen bereiten Titel wie Call of Duty: Warzone auch mir Freude. Doch kann ich mich tatsächlich kaum noch daran erinnern, wann es mich zuletzt so tief in eine Spielwelt hineingezogen hat, dass ich die Zeit vergaß und meine Umgebung ausblendete, um bis spät in die Nacht Quests zu bezwingen. Einerseits mag das an meiner Berufstätigkeit und der Tatsache liegen, dass ich schlicht nicht mehr das Zeitpensum eines 16-jährigen Teenagers aufwenden kann und möchte.

Vor lauter Wald sieht man die Bäume nicht mehr

Aber das greift zu kurz. Immer wieder schalte ich meine Xbox an, browse durch meine Spielebibliothek, den Store und auch den Game Pass. Vorbei an zahlreichen Need for Speed, Forza-Games und Battlefield-Titeln aus der Vergangenheit. Und dann denke ich mir vor dem Drücken der Power-Taste immer wieder: "Eh nett." Aber das reicht eben nicht. Denn es fehlt an guten Geschichten, starken Charakteren und lebendigen Welten, die mich zu stundenlanger Erkundung einladen. Was bringt mir die größte Spieleauswahl aller Zeiten, wenn die Suche nach dem passenden Titel schon jener eines passenden Netflix-Films ähnelt – also so lange dauert, bis man die Lust verliert und aus Frust den Tab schließt?

Es ist klar, dass es ein Umdenken der Branche braucht, was sich auch an der Häufung enttäuschter Käufer zeigt, die sich hintergangen fühlen. An Geld dafür sollte es nicht mangeln, bedenkt man doch, dass die Gaming-Industrie die Film- und Musikbranche in Sachen Umsatz längst überholt hat. Natürlich steigen gleichzeitig auch die Entwicklungskosten, derzeit allerdings häufig gemeinsam mit der Kurzlebigkeit von Produktionen. Sogar die Vorfreude auf Spiele wie Bethesdas Starfield versuche ich deshalb möglichst klein zu halten, allzu enttäuschend waren die letzten Titel des von Microsoft aufgekauften Unternehmens.

Den Verantwortlichen fehlt es derzeit aber primär an Willen, haben sie doch erkannt, dass Battle-Royale-Games und Lootboxen den Rubel rollen lassen. Vielleicht müsste ich meinen Blick auch einfach stärker auf die weite Welt der Indie-Spiele legen. So wirklich aufgeben möchte ich das AAA-Universum aber doch nicht ganz. Derzeit fühlt sich dieses allerdings so an, als würde die Zeit stillstehen. Und ich glaube, das liegt nicht nur an mir. (Mickey Manakas, 25.8.2021)