Was es nicht braucht, sind neue Autobahnen, sagt Mobilitätsforscher Andrew Nash im Gastkommentar.

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Mit dem Fahrrad zum Arbeitsplatz pendeln? In Kopenhagen ist das eine Selbstverständlichkeit. Die dänische Hauptstadt gilt als eine der fahrradfreundlichsten Großstädte weltweit. Wien könnte sich daran ein Beispiel nehmen.
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Viele glauben, dass Elektroautos die Antwort auf den Klimawandel sind. Elektroautos sind besser als Autos, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, aber nur, wenn sie mit nachhaltig erzeugtem Strom betrieben werden. Aus Sicht der Raumplanung fördern sie die heutigen, auf Autos basierenden Entwicklungsmuster. Dieses Muster ist Teil der Negativspirale aus Straßenbau, Zersiedelung und Verkehrsstaus, die durchbrochen werden muss, wenn wir den Klimawandel wirksam bekämpfen wollen.

Bewährte Strategien

Kurz gesagt, um die Verkehrssysteme klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten, müssen wir lernen, Städte und Gemeinden zu bauen, in denen die Menschen ohne Auto leben können. In ländlichen Gebieten ist dies viel schwieriger als in Städten, aber für beide gibt es bewährte Strategien, an denen sich Entscheidungsträger orientieren können. Beginnen wir mit den ländlichen Gebieten:

· Erstens wird das Autofahren in ländlichen Gebieten immer notwendig sein, daher sollten die Bemühungen um Elektrofahrzeuge hier konzentriert werden. Bauen Sie eine Ladeinfrastruktur auf, entwickeln Sie Spezialfahrzeuge etwa für die Landwirtschaft.

· Beleben Sie die Stadtzentren wieder, wie es in dem Film Rettet das Dorf von Regisseurin Teresa Distelberger gezeigt wird. Subventionieren Sie neue Unternehmen in leerstehenden Geschäften. Schaffen Sie Fußgängerzonen, geparkt wird an den Rändern.

· Bieten Sie öffentliche Verkehrsmittel an, die speziell für ländliche Gebiete konzipiert sind: ein regelmäßiges Angebot, durchgängig und ganztägig, mit gemeinsamen Fahrscheinen und zeitlich abgestimmten Umsteigemöglichkeiten zu anderen Diensten. Vorarlberg ist ein großartiges Modell, die Schweiz das beste Beispiel.

· Bauen Sie sichere Radwege. E-Bikes erweitern die Reichweite des Fahrrads so dramatisch, dass das Radfahren jetzt eine gute Option für viele Ausflüge auf dem Land ist, aber niemand wird radeln, wenn er sich nicht sicher fühlt. Radverkehrsinfrastruktur ist auch eine große Touristenattraktion.

· Leiten Sie die bauliche Entwicklung in Richtung Stadtzentren und weg von produktiven landwirtschaftlichen oder natürlichen Flächen. Denn wird hier gebaut, nimmt der Verkehr zu, und die Fähigkeit des Bodens, uns vor Überschwemmungen und anderen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, nimmt ab.

Die Bekämpfung des Klimawandels mit diesen Strategien wird auch die ländlichen Gebiete lebenswerter machen und dazu beitragen, die Entvölkerung aufzuhalten.

Vorrang für Öffis

Die Städte haben andere Sorgen. Sie müssen einmal erkennen, dass ihr wirtschaftlicher Wert in der Agglomeration liegt, die Menschen zusammenbringt, um Ideen zu teilen, Produkte zu schaffen und zu verkaufen. Privatautos verbrauchen einfach zu viel Platz, der besser für diese Aktivitäten, für andere, effizientere Formen der Personen- und Güterbeförderung genutzt werden könnte.

Strategien, mit denen Städte den Klimawandel bekämpfen können, müssen daher den privaten Autoverkehr reduzieren. Bewährte Strategien sind:

· Ein deutlicher Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Auch Wien könnte das Angebot in den Außenbezirken erhöhen und die Qualität verbessern, indem es bekannte Strategien wie den Vorrang des öffentlichen Verkehrs besser umsetzt.

· Attraktive gemischte Quartiere wie das Wiener Sonnwendviertel und das Nordbahnareal schaffen. Diese Projekte zeigen deutlich, dass der Bedarf an gut gestalteten Stadtteilen, in denen man ohne Auto leben kann, unbegrenzt ist.

· Dem Gehen und Radfahren Vorrang einräumen. Bauen Sie "netzbildende" Projekte wie in Sevilla (Anstieg des Radverkehrs um über 450 Prozent!). Die Menschen wollen in den Städten Rad fahren – aber sie haben Angst. Durch die Erleichterung des Radfahrens werden auch Straßen für den Güterverkehr und für diejenigen, die mit dem Auto fahren müssen, frei.

· Einführung innovativer Parkraumbewirtschaftungsprogramme wie der "SF Park" in San Francisco, wo man etwa auf intelligente Parkuhren (Preis ändert sich nach Standort, Tag und Uhrzeit) setzt, um sicherzustellen, dass für Lieferanten, Handwerker und alle, die mit dem Auto fahren müssen, immer ein Parkplatz zur Verfügung steht.

· Überarbeitung der Planungsgesetze zur Verringerung des Autoverkehrs, etwa durch die Abschaffung der Stellplatzpflicht für neue Wohnungen. Dies wird auch die Wohnkosten senken.

Lobau-Projekt stoppen

Die attraktivsten Städte von heute, darunter Paris, Kopenhagen und Amsterdam, bauen geschützte Radverkehrsnetze und 15-Minuten-Städte, sie bauen keine Autobahnen und stoppen die Zersiedelung. Wien sollte sich ihnen anschließen, indem es die Lobau-Autobahn ablehnt und sich stattdessen auf die oben angeführten alternativen Strategien konzentriert. Die Ära des autodominierten Städtebaus ist vorbei.

Klar ist aber auch: Es gibt keine technischen Zauberlösungen, um unsere Städte, Gemeinden und ländlichen Gebiete fit für eine Zukunft im Klimawandel zu machen. Dessen Bekämpfung ist ein gesellschaftliches Problem. Wir müssen die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, grundlegend ändern. Der Weg zum Erfolg wird viel Mut und Vorstellungskraft von den gewählten Führungspersönlichkeiten erfordern, aber auch viel Geduld und Verständnis von den Bürgern. Es ist die Herausforderung unserer Lebenszeit. (Andrew Nash, 25.8.2021)