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Ohio startete als erster US-Bundesstaat eine Impflotterie. Inzwischen beschäftigen sich zahlreiche Studien mit diesem Experiment.

Foto: Reuters

Noch bis zum Sommer wurde in Österreich vor allem darüber gestritten, wer aus welchen Gründen noch nicht drangekommen war bei der Corona-Impfung. Doch damit ist Schluss. Inzwischen gibt es mehr Impfstoffe als Impfwillige, weshalb zusehends mit kreativen Methoden versucht wird, neue Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Die Stadt Wien etwa impft im Stephansdom, vor Moscheen und nun auch an der Supermarktkasse. Das senkt die Zugangshürden für Menschen.

Um den Impfstillstand zu überwinden, gehen manche Länder weiter. In den USA haben mehrere Bundesstaaten Lotterien durchgeführt. Als Erstes preschte im Mai Ohio mit einer solchen Aktion vor. Unter dem Titel "Vax-A-Million" wurde vom 26. Mai weg viermal wöchentlich unter all jenen, die sich bis dahin mindestens einmal impfen ließen, ein Millionengewinn verlost. Für alle Zwölf- bis 17-Jährigen gab es parallel dazu einen Gratis-Studienplatz auf einer Universität oder einem College zu gewinnen.

82.000 Menschen

Inzwischen sind einige Studien über die Wirksamkeit der Aktion veröffentlicht worden – die interessanteste Untersuchung kommt aber nun von zwei Ökonomen der University of California, Santa Cruz. Andrew Barber und Jeremy West analysieren die Wirksamkeit von "Vax-A-Million" nämlich nicht einfach nur, indem sie den Impffortschritt in Ohio mit jenem in anderen Bundesstaaten vergleichen. Solche Analysen kamen zum Ergebnis, dass die Aktion wenig gebracht hat. In Ohio ist zwar die Zahl der Impfungen im Zeitraum der Verlosung gestiegen, aber das war in anderen Bundesstaaten zur selben Zeit ähnlich.

Barber und West haben eine feinere Analyse durchgeführt. Die Impfbereitschaft in Ohio lag nämlich im Juni weit unter dem nationalen Durchschnitt, ein Vergleich der Entwicklung in Ohio mit jener in Texas, Dakota oder New York sage daher wenig aus, so die Studienautoren. Stattdessen haben die Ökonomen eine Vergleichsgruppe gebildet.

Dieser gehören lauter Menschen aus anderen US-Bundesstaaten an, wo die Impfrate ähnlich niedrig war wie in Ohio. Das soziökonomische Umfeld und das Wahlverhalten der Menschen in der Vergleichsgruppe waren zudem fast ident mit denen der Menschen in Ohio.

Ergebnis der Analyse: 82.000 Menschen haben sich im Zuge der Verlosung zusätzlich impfen lassen, die Impfquote konnte um 1,5 Prozent gesteigert werden, obwohl die Aktion recht kurz war. Mehr noch: Die Gesellschaft sparte sogar etwas.

Geld für den Stich

5,6 Millionen Dollar wurden als Gewinn ausbezahlt. Demgegenüber hat sich der Staat 66 Millionen Dollar für die Versorgung von Intensivpatienten gespart. Diese Zahlen basieren darauf, dass sich die Pandemie schneller ausbreitet, je weniger Menschen geimpft sind und je höher bei Ungeimpften das Risiko eines schweren Verlaufs ist. Für die Studienautoren sind Lotterien ein "vielversprechendes" Instrument.

Die Debatte darüber, ob der Staat Impfunwilligen finanzielle Anreize anbieten soll, wird längst auch in Europa geführt. Die deutsche Ökonomin Nora Szech ist auf Basis einer Befragung in den USA zum Ergebnis gekommen, dass eine Prämie von 100 Euro zu einer Impfbereitschaft von 80 Prozent führe. Mit 500 Euro wären sogar 90 Prozent möglich. Zum Vergleich: Aktuell haben 60 Prozent der Gesamtbevölkerung in Österreich eine Erstimpfung erhalten.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen. Die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die auch in der Bioethikkommission sitzt, sagt, dass finanzielle Anreize zwar kurzfristig die Impfbereitschaft steigern, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Probleme schaffen würden. Die Bereitschaft, sich freiwillig und ohne Gegenleistung impfen zu lassen, würde sinken, so Prainsack, das könnte bei anderen Erkrankungen und bei einer Corona-Auffrischungsimpfung zum Problem werden. Diese Annahme beruht auf früheren Studien, die zeigen, dass Menschen Dinge, die sie freiwillig tun, weniger bereitwillig machen, wenn es dafür Geld gibt.

Ein Ausweg aus dem Dilemma könnten für Prainsack tatsächlich Lotterien sein, weil bei diesen das Impfen "nicht den Charakter einer Geschäftstransaktion annimmt". (András Szigetvari, 25.8.2021)