Menschen, die sich impfen lassen, schützen nicht nur sich selbst. Selbst wenn sie sich infizieren, was selten, aber doch vorkommt, sind sie weniger lang ansteckend. Und auch ihr Virusmaterial ist "harmloser", zeigt eine neue Studie.

APA / GEORGES SCHNEIDER

Es war eine vermeintliche Trumpfkarte für die Impfskeptiker und Impfverweigerer: Gleich mehrere Studien hatten zuletzt gezeigt, dass die Viruslast der geimpften Personen, die sich mit der Delta-Varianten ansteckten, im Maximalfall ähnlich hoch war wie die von Personen ohne Immunisierung. Die (falsche) Schlussfolgerung der Kritiker der Impfung gegen Covid-19: Geimpfte und Ungeimpfte seien gleich infektiös, deshalb würden Impfungen auch nicht vor der Weitergabe des Virus schützen.

Dieses Argument ist aber aus zumindest drei Gründen unrichtig und irreführend, wie eine Studie aus den Niederlanden untermauert, die diese Woche erschien. Denn erstens infizieren sich doppelt Geimpfte (in etwa dreimal) seltener mit der Delta-Variante als Ungeimpfte (wie etwa diese britische Studie zeigte); zweitens dürften jene Geimpften, die sich doch infizieren, kürzer infektiös sein. Drittens schließlich – und das ist das Neue an der niederländischen Untersuchung – scheint das abgesonderte Virusmaterial der Geimpften deutlich weniger ansteckend zu sein als das der Ungeimpften.

Daten vom Gesundheitspersonal

Für ihre Studie, die vorerst nur als Preprint vorliegt und noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde, untersuchten die Forschenden vom Erasmus Medical Center in Rotterdam insgesamt 161 sogenannte Durchbruchsinfektionen bei 24.706 vollständig geimpften Bediensteten des niederländischen Gesundheitswesens zwischen April und Juli 2021. Mehr als die Hälfte der Geimpften (Durchschnittsalter 25 Jahre) hatte die Moderna-Impfung erhalten. (Die Ergebnisse würden sich aber nicht wesentlich von jenen unterscheiden, die mit den Impfstoffen von Pfizer, Astra Zeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurden, so die Studienautoren.)

Die meisten Infektionen dieser 161 Personen wurden durch die Delta-Variante verursacht und verliefen im Normalfall mild. Etwa 85 Prozent waren symptomatisch, keine einzige erforderte eine Krankenhauseinweisung. Bei der Untersuchung des Virusmaterials dieser Personen während der Infektionszeit bestätigte sich zwar zum einen, dass die virale Maximallast ähnlich hoch war wie die ungeimpfter Infizierter. Doch die vollständig geimpften Personen wurden das Virus deutlich früher wieder los, wie auch schon eine Studie aus Singapur Ende Juli nahelegte. Im Schnitt scheinen geimpften Infizierte etwa drei Tage lang ansteckend zu sein, ungeimpfte hingegen rund eine Woche.

Unterschiede im Virusmaterial

Schließlich untersuchte die Forschergruppe auch noch, wie ansteckend das Virusmaterial war, das die Infizierten beider Gruppen abgaben, wobei bei den ungeimpften Infizierten Vergleichsdaten aus dem Herbst herangezogen wurden. Diese Vergleiche durch Laborversuche zeigten, dass Partikel des Virus aus Nase und Rachen bei den Geimpften zu rund 68 Prozent infektiös waren (Delta-Variante), bei den Ungeimpften ohne besorgniserregende Variante hingegen zu 85 Prozent. Der Grund dafür liege an den Antikörpern, die gegen das Virusmaterial gebildet worden waren.

Unter dem Strich liefert die Studie einen Hinweis mehr, dass die doppelte Impfung nicht nur vor Infektionen und vor allem vor schweren Verläufen schützt, sondern auch das Ansteckungsrisiko für andere Personen deutlich herabsetzen dürfte. Auch wenn die Forschenden darauf hinweisen, dass – wie sich zeigte – doppelt Geimpfte ebenfalls infektiös sein können.

Impfschutz lässt langsam nach

Neue Zahlen aus der "echten Welt" gibt es aber auch zur Veränderungen des Impfschutzes über die Zeit. Diese am Mittwoch veröffentlichten Daten der großen britischen Zoe-Covid-Studie, über die unter anderem die BBC berichtete, bestätigen ebenfalls bisherige Erkenntnisse etwa zum allmählichen Rückgang der Antikörperspiegel im zeitlichen Abstand zur Impfung. Diese Untersuchung umfasste 1,2 Millionen Menschen und nahm die britischen Infektionsdaten von Mai bis Juli 2021 unter die Lupe.

Dabei zeigte sich, dass der Schutz nach zwei Impfungen von Biontech/Pfizer von 88 Prozent nach einem Monat auf 74 Prozent nach fünf bis sechs Monaten zurückging. Im Fall von Astra Zeneca sanken diese Zahlen von 77 Prozent auf 67 Prozent, allerdings nach vier bis fünf Monaten. Kam es zu einer Infektion, so verlief diese freilich bei den Geimpften auch mehrere Monate nach dem zweiten Stich in aller Regel mild.

Im schlimmsten Fall könnte laut Studienleiter Tim Spector der Impfschutz für die alten Personen und das Gesundheitspersonal im Winter auf unter 50 Prozent sinken, was eine Booster-Impfung nötig machen würde. Dabei will man in Großbritannien allerdings selektiv vorgehen, um keinen Impfstoff zu verschwenden. Überlegt wird etwa der Einsatz einer geringeren Impfstoffmenge; zudem sollen bereits geimpfte Genesene keinen weiteren Booster erhalten.

84.600 Todesfälle in England vermieden

Inzwischen veröffentlichte Public Health England auch seine Schätzung zu den bisherigen positiven Folgen der Impfkampagne: Laut dieser Berechnung seien durch die Impfungen bisher rund 23 Millionen Infektionen und 84.600 Todesfälle allein in England vermieden worden. (Klaus Taschwer, 25.8.2021)