Im Halleiner Rathaus wird am Montag über die Disziplinaranzeige gegen den Amtsleiter abgestimmt.

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Geheimakten über Stadtmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, schwere Verstöße gegen den Datenschutz, Bruch der Amtsverschwiegenheit, Naziliedgut und eine Pornodatei auf dem dienstlichen Netzlaufwerk der Stadt Hallein – die Vorwürfe, die der Halleiner Bürgermeister Alexander Stangassinger (SPÖ) in einer sechs Punkte umfassenden Disziplinaranzeige gegen den Amtsleiter der Stadtverwaltung erhebt, sind schwerwiegend. DER STANDARD hat am Dienstag exklusiv berichtet.

Während der Beamte – für ihn gilt die Unschuldsvermutung – für die meisten Medien nicht erreichbar war, hat er via Salzburger Nachrichten inzwischen jede Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut von sich gewiesen. Er sei "ein überzeugter Antifaschist und Humanist", wird der seit Mai dienstfrei gestellte Stadtamtsdirektor zitiert. Er könne sich nicht erklären, wie die Liederdateien auf das Laufwerk gelangt seien. "Zu den anderen Vorwürfen nahm er in den Salzburger Nachrichten nicht Stellung", vermeldet die Austria Presse Agentur.

Anonymes Papier

Die politischen Reaktionen auf die Disziplinaranzeige fielen sehr verhalten aus. Bürgermeister Stangassinger sagt in der Personalangelegenheit grundsätzlich nichts. Neos und Grüne zeigten sich schockiert und fordern eine umfassende Aufklärung.

Laut Salzburger Nachrichten soll inzwischen auch ein anonymes Dossier mit "vermeintlichen Verstößen" des sozialdemokratischen Bürgermeisters vorhanden sein. Dieses sei an die Gemeindeaufsicht des Landes gerichtet.

Eindeutiges Kräfteverhältnis

Ob die brisante Causa wirklich aufgeklärt und der Disziplinaranwalt des Landes eingeschaltet wird, entscheidet sich frühestens kommenden Montag, wenn die Halleiner Gemeindevorstehung (eine Art Stadtsenat) tagt. Sie ist die Disziplinarbehörde, der Bürgermeister ist die Dienstbehörde. Grundsätzlich wären die Kräfteverhältnisse in der Gemeindevorstehung eindeutig: Vier sozialdemokratische Stimmen stehen drei Stimmen von ÖVP, einer Grünen und einer der unter dem Namen "Basis" firmierenden Liste ehemaliger FPÖ-Funktionäre gegenüber.

Stimmengleichheit?

Da aber im gegenständlichen Fall der Bürgermeister als Dienstbehörde befangen ist, muss er das Gremium verlassen, und es könnte theoretisch Stimmengleichheit herrschen. Dann könnte der vorsitzführende türkise Vizebürgermeister zugunsten des beschuldigten Amtsleiters dirimieren – die Stimme des Vorsitzführers zählt doppelt.

Soweit die Theorie. Wie die kommunalpolitisch und rechtlich heikle Abstimmung ausgeht, ist derzeit aber nicht absehbar. Als Ausweg aus dem theoretisch möglichen Patt könnte ein Beschluss für weitere Ermittlungen dienen.

ÖVP will Disziplinarverfahren zustimmen

Aus ÖVP-Kreisen war Mittwochabend dann zu erfahren, dass es wohl kein Patt geben werde; die ÖVP-Mandatare in Hallein würden der Einleitung eines Verfahren zustimmen.

Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Laut ORF-Salzburg wurde am Mittwoch auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet: Aktuell würde der Verdacht der nationalsozialistischen Wiederbetätigung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses geprüft, noch sei aber nicht entschieden, ob man Ermittlungen aufnehmen werde, heißt es laut ORF vonseiten der Staatsanwaltschaft. Dass die Staatsanwaltschaft aktiv geworden ist, wird auch im Halleiner Rathaus bestätigt. (Thomas Neuhold, 25.8.2021)