Gleichzeitig wehrt sich AMS-Chef Johannes Kopf gegen den "Pauschalvorwurf", Arbeitslose würden nicht arbeiten wollen.

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Wien – Braucht es mehr Druck auf Arbeitslose, damit sie eher bereit sind Jobs anzunehmen: Rund um diese Frage hat sich eine neue Debatte entzündet. AMS-Chef Johannes Kopf hat sich in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" dafür ausgesprochen, die Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose einzuschränken. Derzeit ist ein Zuverdienst von 475 Euro im Monat erlaubt, also unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze.

Abschaffung des Dazuverdienens

Ja, er sei für die Abschaffung des Dazuverdienens, zumindest aber für eine massive Einschränkung, sagt Kopf auf eine entsprechende Frage. Er habe über das Thema viel nachgedacht, weil es auch Argumente dafür gebe. "Die Leute haben zumindest einen Fuß in der Arbeitswelt und verlernen nicht die Arbeitstugenden. Ist dieser Fuß in der Tür nützlicher, als es schädlich ist, weil der Unterschied zum Erwerbseinkommen zu gering wird? Inzwischen bin ich so weit: Es gehört – wenn nicht verboten – so doch massiv eingeschränkt. Wir haben dabei gute Erfolge mit dem Erhebungsdienst."

Eine Absage zu dem Vorstoß kommt nun aber von den Grünen. "Ein Ende oder die massive Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten schafft eine Unmenge von Problemen. Ich bin mir nicht sicher, ob Johannes Kopf das bedacht hat", sagt der Abgeordnete und arbeitsmarktpolitische Sprecher der Grünen, Markus Koza, dem STANDARD.

Zunächst gibt es am Arbeitsmarkt eine größer werdende Zahl an Menschen, die Teilzeit arbeiten, mit dem Geld aber nicht auskommen und deshalb noch zusätzlich geringfügig beschäftigt sind, so der Politiker. "Wer seinen Teilzeitjob verliert und Arbeitslosengeld bezieht, müsste künftig, wenn die Regeln verschärft werden, seine geringfügige Stelle auch gleich aufgeben? Das kann ja nicht das Ziel sein", so Koza.

Grüne: Aspekte nicht bedacht

Hinzu komme, dass die Nettoersatzrate in Österreich im internationalen Vergleich sehr niedrig sei: Ein Arbeitsloser bekommt 55 Prozent seines Letztgehalts vom AMS, dazu gibt es noch einen kleinen Familienzuschlag. Notstandshilfeempfänger bekommen etwas weniger. Sollten die Zuverdienstmöglichkeiten wegfallen, erhöhe man die Armutsgefährdung der Menschen, so Koza. Nachsatz: "Außer das Arbeitslosengeld würde deutlich erhöht werden."

Er kritisiert aber auch, dass die Zuverdienstmöglichkeiten eine Chance für Menschen seien: Jobsuchende könnten mit einem Bein am Arbeitsmarkt bleiben. Dieses Standbein zu nehmen würde die langfristigen Chancen der Menschen nur senken. Sein letzter Punkt: Eine Begrenzung der Zuverdienstmöglichkeiten würde mehr Anreize für Betroffene schaffen, einfach schwarz dazuzuverdienen.

Seitens der Unternehmen wird immer wieder argumentiert, dass Arbeitslose mit einem geringfügigen Nebenjob ihr Auslangen fänden und daher weniger bereit seien, einen vermittelten Job anzunehmen. Aktuell gibt es einen Höchststand an offenen Stellen: Ende Juli waren 112.000 freie Stellen beim AMS gemeldet. Zum Vergleich: Vor der Krise im Jahr 2019 waren es zur selben Zeit nur 83.000.

Arbeitslosigkeit über Vorkrisenniveau

Die Arbeitslosigkeit liegt aktuell noch klar über dem Vorkrisenniveau: Derzeit sind 344.000 Menschen beim AMS arbeitslos gemeldet, vor der Pandemie waren das im Vergleichszeitraum 325.000.

Die Zuverdienstmöglichkeit nutzen viele Menschen: Laut Zahlen des Arbeitsmarktservice sind es etwas mehr als zehn Prozent der arbeitslos gemeldeten Personen. Das sind etwa 43.000 Menschen.

Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Kammer, sieht den Vorstoß auch kritisch, auch er warnt, dass "aus einer Arbeitslosigkeitsfalle eine Armutsfalle" wird, wenn die Zuverdienstmöglichkeiten fallen. Allerdings fordert er auch eine bessere Aufklärung von Arbeitslosen, die geringfügig arbeiten, darüber, was das für sie bedeutet: Denn wer nur geringfügig arbeitet, ist lediglich unfallversichert. Das heißt unter anderem, dass für die Pension keine zusätzlichen Ansprüche erworben werden, daraus ergibt sich eine geringere Pensionshöhe.

Arbeitslose laut Kopf auch arbeitswillig

Den "Pauschalvorwurf", dass vom AMS geschickte Stellenbewerber gar nicht arbeiten wollten, lasse er nicht gelten, sagt AMS-Chef Kopf im Interview. Nur weil jemand einen konkreten Job nicht wolle, heiße das nicht, dass er nicht arbeiten wolle. Man müsse differenzieren: Bei günstigerer Arbeitszeit, kürzerer Anfahrt, besseren Bedingungen und höherem Lohn würden die Leute schon wollen. "Es gibt verschiedene Hebel, die Stellen dennoch besetzen zu können."

Dass die Arbeitslosenzahl in Kürze das Niveau von vor Corona erreiche, sei möglich. Das hänge von der Delta-Variante ab. Anfang des Jahres habe es 110.000 Arbeitslose mehr als vor Corona gegeben. "Jetzt sind wir bei plus 14.000. Es könnte sich heuer im Winter schon ausgehen." Man werde dann die "harten Zahlen" erreicht haben. Corona habe aber am Arbeitsmarkt Probleme geschaffen, "gegen die wir noch jahrelang ankämpfen werden". (András Szigetvari, 26.8.2021)