Kann man der GH5 II eine Kaufempfehlung aussprechen?

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Panasonic einen Nachfolger des Fanlieblings Lumix GH5 veröffentlicht. Die damals technologisch sehr fortschrittliche Micro-Four-Thirds-Kamera (MFT) ist immerhin schon mehr als vier Jahre alt. Sie überzeugte einst vor allem durch gute Videofunktionen und den zeitweise marktführenden Bildstabilisator. Abstriche musste man wegen des kleinen Sensors machen, außerdem jagte der Kontrast-Autofokus die Konkurrenz eher erfolglos. Seit Ende Mai ist nun die GH5 II erhältlich. Doch kann man diese empfehlen?

DER STANDARD hat das Gerät ausführlich getestet, um herauszufinden, wie groß das Upgrade wirklich ist und ob sie 2021 noch mit der Konkurrenz – und vor allem mit inzwischen sehr kompakten Vollformatkameras – mithalten kann.

Eine wichtige Information vorab: Wer unbearbeitete Beispielfotos (JPEG und Raw) im Detail betrachten will, sei auf den zugehörigen Google-Drive-Ordner verwiesen, wo einige zusätzliche Aufnahmen zu finden sind. Beispielvideos können wegen zu großer Dateigrößen leider nicht hochgeladen werden.

Altbekannt und trotzdem neu

Besitzer des Vorgängermodells werden sich sofort wie zu Hause fühlen. Immerhin wurde am Body selbst kaum etwas verändert (was nicht unbedingt etwas Schlechtes ist). Am ehesten fallen vermutlich die roten Farbakzente auf, die man bereits von der Vollformat-Schwester S5 kennt. Unter anderem strahlt einem der dedizierte Record-Button, mit dem ohne große Umstände Videoaufnahmen gestartet werden können, in leuchtender Farbe entgegen. Dessen bloße Existenz zeigt zudem erneut: Die GH5 richtet sich noch immer vor allem an Videografen. Und vor diesen muss sie sich keinesfalls verstecken – und das, obwohl es sich bei den tatsächlich relevanten Hardware-Verbesserungen bloß um Modellpflege handelt.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Am wichtigsten ist diesbezüglich der neue Bildprozessor, der vermutlich Hauptgrund für die Veröffentlichung eines gänzlich neuen Modells sein dürfte. Denn während Panasonic hinsichtlich Software-Updates ziemlich fit ist, verhinderte die vergleichsweise geringe Rechenleistung der GH5 einige der neuesten Features anderer Modelle. Der Sensor ist hingegen nahezu gleich geblieben, löst also weiterhin mit 20 Megapixeln auf. Neu ist eigentlich nur eine Antireflexionsbeschichtung, die insbesondere bei Gegenlicht oder direkten Lichtquellen eine bessere Darstellung von Spitzlichtern ermöglicht.

Ein scharfer Blick

Während der Sucher 1:1 übernommen wurde (3,68 Millionen Pixel mit einer Bildfeldabdeckung von 100 Prozent und einer Vergrößerung von 1,52), wurde das ausschwenkbare Display von 3,2 auf drei Zoll geschrumpft. Dafür hat sich die Auflösung von 1,62 Millionen auf 1,84 Millionen Pixel erhöht. Außerdem ist es etwas heller geworden, was insbesondere in Outdoor-Szenarien hilfreich sein kann. Auch der In-Body-Bildstabilisator (IBIS) wurde verbessert und verspricht bis zu 6,5 Stufen Stabilisierung.

In der Praxis bedeutet das vor allem höhere Bitraten im Videomodus. 4K-Aufnahmen strahlen jetzt mit maximal 60 Bildern pro Sekunde bei einer Farbtiefe von 10 Bit und einer Datenübertragung von 200 Mbit/S bis hin zu 400 Mbit/S. Slow-Motion mit 120 FPS ist nicht an Bord, was vermutlich am bevorstehenden Release der Oberklassekamera GH6 liegt. Dabei kann man zwischen anamorphen Aufnahmen in 4:3 und einem cinematischen 17:9- oder 16:9-Format wählen. Beim Color-Grading kann man sich vermutlich am ehesten am Vorgänger orientieren, vorinstalliert sind nämlich dieselben Bildprofile Cinelike V2, D2 und das besonders flache V-Log L. Möchte man sich nicht den Aufwand eines Log-Colorgradings machen, sind die beiden erstgenannten Profile eine gute Ausweichmöglichkeit.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Ein Minuspunkt ist, dass man per HDMI-Anschluss zwar einen externen Recorder anschließen kann, dabei aber die Möglichkeit von Raw-Aufzeichnungen fehlt. Ob dieses Feature mit Absicht weggelassen wurde oder mittels Update nachgereicht wird, bleibt offen.

Livestreaming aus einer Hand

Alleinstellungsmerkmal soll hingegen ein integrierter Streaming-Modus sein. Dank diesem erhält die Kamera entweder via Smartphone oder mittels direkter Verbindung mit einem WLAN-Router Internetzugang. Danach kann man direkt einen Livestream auf Youtube oder Facebook starten. Da dadurch möglicherweise weitere Hardware unnötig wird, könnte diese Funktion tatsächlich für einige Leute interessant sein.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Auch die Ergebnisse können sich in den meisten Fällen blicken lassen; vor allem Menschen, die die Arbeit mit Panasonic-Files gewohnt sind, werden auch mit der GH5 II Freude haben – immerhin teilen sie sich denselben Sensor. Wie sich die meisten denken können, muss dabei leider trotzdem angemerkt werden, dass die Low-Light-Performance im Vergleich zu Kameras mit größeren Sensoren nicht mithalten kann. Schon bei ISO 1600 macht sich ein Bildrauschen bemerkbar, das bei ISO 3200 sichtlich zu stören beginnt. Außerdem verlieren Video- und Fotoaufnahmen schnell an Farbtiefe und Schärfe.

Fokus auf das Wichtige

So weit, so gut. Aber wie steht es um den Autofokus, war dieser doch das größte Manko und der primäre Kritikpunkt an der Lumix GH5? Ein direkter Vergleich mit dem Vorgängermodell war im Rahmen des STANDARD-Tests leider nicht möglich. Panasonic hat seine Algorithmen allerdings so weit verbessert, dass man sagen kann: Er ist gut genug. Noch immer kommt ausschließlich ein Kontrast-Autofokus zum Einsatz, während fast alle anderen Hersteller schon längst auf eine Kombination von Kontrast- und Phasenerkennungs-Technologien setzen. Aus guten Gründen, wenn man sich die Leitung aktueller Sony-, Canon- oder Nikon-Geräte ansieht.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Diesen Kameras kann die GH5 II nicht das Wasser reichen, trotz allem war das Tracking die meiste Zeit zuverlässig – beizeiten aber etwas langsam. Man sollte freilich je nach Anwendungszweck überlegen, ob man sich auf den Autofokus verlassen möchte oder doch lieber manuell nachjustiert. Doch vor allem in Interviewsituationen oder auch Reportage-Settings, in denen wenig Bewegung zu erwarten ist oder alles sehr schnell gehen muss, sollte man ihm eine Chance geben. Auch bei Serienaufnahmen im Fotomodus kann man sich über eine relativ hohe Trefferquote freuen.

Apropos Foto: Dass es in dieser Preisklasse deutlich bessere Optionen für Fotografen gibt, ist klar. Schon allein der kleine Sensor im nicht allzu kompakten Gehäuse macht die GH5 II relativ uninteressant, wenn man nicht an Bewegtbild interessiert ist. Nutzt man das Gerät als Hybriden, macht aber auch das Fotografieren Spaß. Jede Taste liegt am richtigen Platz, und die wichtigsten Einstellungen sind nach kurzer Eingewöhnen intuitiv über Bedienräder und -knöpfe erreichbar. Und auch in der Nachbearbeitung bereiten die Dateien Freude, Panasonic scheint mit seinem eigenen Raw-Format also alles richtig zu machen.

Fazit

Obwohl all das sehr positiv klingt, stellt sich die Frage, warum man gerade eine GH5 II kaufen sollte, wenn man auf der Suche nach einer neuen Kamera ist. Für den Preis von 1.700 Euro bekommt man inzwischen auch die Panasonic S5, die neben einem Vollformatsensor auch die Möglichkeit von Raw-Video mit sich bringt. Nikons Z6 und Z5 sind sogar ein ganzes Stück günstiger – obwohl die Bildqualität und der Funktionsumfang deutlich reizender sind. Auch in Sachen Kompaktheit hinkt die Konkurrenz schon lange nicht mehr hinterher, seit eigentlich alle Hersteller auf spiegellose Technologien setzen. Bleibt nur noch das Ökosystem, mit dem die Lumix hier punkten kann. Das Micro-Four-Thirds-Bajonett gibt es schon deutlich länger als die neuen Systeme von Canon, Nikon und Sony. Dementsprechend sind der Gebrauchtmarkt und die Auswahl größer – und somit auch der Kauf von Objektiven und Zubehör meist günstiger.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Klar ist auch, dass es sich um ein inkrementelles Update und nicht ein Redesign mit vielen Innovationen handelt. Mit der GH6 am Horizont bedeutet das aber auch, dass es für potenzielle Käufer durchaus interessant sein könnte, noch ein paar Monate abzuwarten – und bei Möglichkeit –, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, dafür aber die neuesten Technologien und 4K-Video mit 120 FPS zu bekommen. Trotz solider Leistung im Video- und Fotobereich sollte man sich also gut überlegen, ob die GH5 II 2021 noch die richtige Wahl ist – oder ob Abwarten oder Umschwenken zur Konkurrenz vielleicht sinnvoller wäre. Eine klare Kaufempfehlung kann man ihr jedenfalls nicht ausstellen. Das liegt einerseits am eher geringen Upgrade, aber auch daran, dass MFT-Sensoren der aktuellen Technik schlicht nicht mehr hinterherzukommen scheinen. (Mickey Manakas, 29.8.2021)