Wien – Wie viele Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, gilt in der Corona-Pandemie als eine ganz entscheidende Größe. In Österreich hat sich die Zahl der Intensivpatienten mit dem Virus innerhalb der vergangenen zwei Wochen fast verdoppelt. Am Donnerstag waren 95 Covid-Patienten in Intensivbehandlung, am 12. August waren es noch 51 gewesen. Insgesamt waren am Donnerstag 415 Erkrankte mit Corona im Spital, vor zwei Wochen 203. Der weitere Trend wird ähnlich erwartet: Schon vergangene Woche ging das Covid-Prognose-Konsortium von einer Verdopplung der Spitalsbelegungszahlen binnen 14 Tagen aus. Das Team aus Experten der TU Wien, der Med-Uni Wien und der Gesundheit Österreich GmbH berät die Regierung.

Insgesamt bewegen sich die aktuellen Corona-Spitalspatientenzahlen zwar auf einem niedrigen Niveau: Nach Berechnungen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) entspricht das österreichweit einer Auslastung der Intensivbetten von vier Prozent (wobei die Ages-Zahlen einen Tag älter sind). Das ist weit weg von den als systemkritisch geltenden 33 Prozent Belegung. Allerdings macht ein Überschreiten der Zehn-Prozent-Marke bereits das Verschieben planbarer Operationen nötig. Es gibt Hinweise darauf, dass dies im September wieder ein Thema sein könnte.

Realität wie Worst-Case-Prognose aus Juli

Das Prognose-Konsortium machte Anfang Juli eine längerfristige Prognose bis Ende September. Darin wurden anhand der Impfrate, des Impftempos und der Infektionszahlen neun Annahmen getroffen. Ein Blick darauf zeigt, dass die aktuelle Entwicklung das Worst-Case-Szenario abbildet. Darin wird von einer Impfgeschwindigkeit von 40 Prozent im Vergleich zum Tempo von Juni 2021 ausgegangen und von einem Impfplafond von 60 Prozent, also einer auf diesem Wert circa stagnierenden Impfzahl – aktuell sind 58 Prozent der österreichischen Bevölkerung voll immunisiert. In diesem Szenario ist auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass die Zehn-Prozent-Marke in den Spitälern im nächsten Monat überschritten wird.

Die Belegung mit Corona-Patienten in den Spitälern ist zwar auf einem niedrigen Niveau, überall sind genügend Plätze frei. Die zahlen wachsen aber gerade rasch an.
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Und: "Man muss bedenken, dass dieser Vorausblick nur bis Ende September geht, danach ist die Pandemie ja auch nicht zu Ende", gibt Martin Bicher von der dwh Gmbh weiters zu bedenken, der dort mit Simulationsforscher Nikolas Popper zusammenarbeitet. Popper sagt im STANDARD-Telefonat angesichts dieser Entwicklungen: "Impfen muss die oberste Priorität haben." Für die nächsten Tage hat das Prognose-Konsortium eine aktualisierte längerfristige Prognose angekündigt.

Neun von zehn Intensivpatienten ungeimpft

Neue Zahlen aus Wien zeigen den Zusammenhang von Immunisierungsstatus und Spitalsaufenthalten. Von den 82 Spitalspatienten in Normalbehandlung am 23. August waren 82,9 Prozent nicht voll immunisiert. Ungefähr die Hälfte dieser Patientinnen und Patienten war zwischen 40 und 59 Jahre alt. Von den 18 Intensivpatienten waren wiederum knapp 89 Prozent nicht voll immunisiert. Rund die Hälfte war zwischen 50 und 69 Jahre alt. Insgesamt sind seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie 10.772 Corona-Infizierte in Österreich verstorben. Seit Donnerstag voriger Woche waren es zwölf Menschen.

Risikostatus gekoppelt an Impfrate

Das Gesundheitsministerium hat am Donnerstag den Hochinzidenz-Erlass in einen "Erlass für Hochrisikogebiete" abgeändert. Bisher galt, dass verpflichtende regionale Verschärfungen zu verhängen sind, wenn die Inzidenz von 300 an sieben Tagen in Folge überschritten wurde.

Dieser Wert wird bei einer regional höheren Durchimpfungsrate hinaufgesetzt, bei einer niedrigeren Rate hinuntergesetzt, teilte das Ministerium mit. Auch der Belag der Spitalsbetten wird mit einbezogen. Eine als Hochrisikogebiet eingeschätzte Region darf nur verlassen, wer einen 3G-Nachweis vorweisen kann. (Gudrun Springer, 26.8.2021)