Für beide Politiker war es eine Premiere: US-Präsident Joe Biden traf zum ersten Mal in seiner Amtszeit einen israelischen Regierungschef, und Naftali Bennett reiste zum ersten Mal in seiner Funktion als Premierminister in die Vereinigten Staaten. Trotzdem musste man auf den wichtigsten US-Nachrichtenseiten am Donnerstag zum Teil etwas länger suchen, bis man eine Meldung über den Besuch des israelischen Regierungschefs im Weißen Haus fand.

Bild nicht mehr verfügbar.

So wichtig der Besuch von Naftali Bennett in den USA aus israelischer Sicht war, so nebensächlich war er fürs Weiße Haus.
Foto: AP/Andrew Harnik

Verwunderlich ist das nicht, verwerflich schon gar nicht, bezeichnend aber schon. Das Drama in Afghanistan, die schwierige Evakuierung der US-Truppen, aber auch die vor allem im Süden der USA grassierende Covid-19-Epidemie überschatten aus Sicht der US-Administration derzeit alles andere. Das musste sich auch die israelische Delegation eingestehen. So wichtig dieser Besuch aus israelischer Sicht war, so nebensächlich war er fürs Weiße Haus.

Das könnte ein Anlass sein, um sich grundsätzlich zu fragen, wohin die Reise der engen Verbündeten USA und Israel geht, wenn einerseits die USA in der Welt an Macht verlieren, andererseits aber auch das iranische Bedrohungspotenzial eher zunimmt als stagniert. Auf wen kann Israel in der postamerikanischen Ära noch zählen – und worauf?

Das Bekenntnis der Biden-Regierung zu einer Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran wird in Jerusalem vor allem als Schreckensszenario interpretiert: Jeder Kompromiss mit Teheran sei ein Fehler, so die Devise. Abgesehen davon, dass niemand weiß, ob ein solcher Deal jemals zustande kommen wird: Jüngste Zahlen zum Fortschritt der Urananreicherung im Iran belegen, dass kein Deal auch keine Lösung darstellt.

Vielleicht war das höchste der Gefühle, das sich Biden und Bennett von ihrem Treffen erhoffen konnten, ohnehin nur das einer diffusen Harmonie. Und das ist immerhin deutlich mehr, als Biden von Bennetts Vorgänger Benjamin Netanjahu bekommen hätte. Netanjahu, der deklarierte Freund Donald Trumps, hatte Biden wiederholt brüskiert. Bennett wird das eher nicht tun: Jede Provokation in Richtung Washington würde nämlich auch manche seiner Koalitionspartner erzürnen.

Das Risiko, dass die Regierung in Jerusalem daran zerbricht, wäre zu groß. Und was dann drohen würde, ist sowohl Biden als auch Bennett klar: ein Comeback Netanjahus. Dass es dies zu vermeiden gilt, darauf können sich die beiden trotz aller Differenzen wohl problemlos einigen. (Maria Sterkl, 26.8.2021)