Hat komponiert und singt: Robert M. Johanson als Bob.

Foto: Jessica Schaefer

Wellen branden im Theater Akzent aus den Boxen, die Bühne (Luka Curk) leuchtet blau. Wir befinden uns auf hoher See, und gleich trippeln drei Geister herein. Im Hintergrund werden aus Holz geschnittene und bemalte Wellenkämme hin und her geschoben wie einst in den frühen Jahren der Oper. Die Geister drehen sich noch, da kommt ein junger Mann, begräbt sich unter einer blauen Plane und rudert mit den Armen karikaturhaft in der Luft: Er ertrinkt. Der weibliche Geist verliebt sich in ihn, doch er ist lebensmüde. Nichtsdestotrotz tragen die Wellen ihn mit ihrer Hilfe an den nächsten Strand.

Diese erste Szene hat schon alles, was Oper braucht: kitschige Kulissen, große Gefühle, enttäuschte Liebe, drohenden Tod. Bloß bilden gitarrenlastiger Country, westernmäßige Geigen, Klavierballaden und Musicalmelodien den Soundtrack. Eine klassische Oper ist Burt Turrido bei den Wiener Festwochen trotz des Untertitels keineswegs. Klar, ist doch das Nature Theater of Oklahoma dafür verantwortlich.

Die New Yorker Truppe zeigt ihre exzentrischen Produktionen vor allem vor europäischem Publikum. 2022 soll am Wiener Volkstheater die Horváth-Bearbeitung Karoline und Kasimir uraufgeführt werden. Jetzt ist es aber beeindruckend, zu welch opulenter Show nur fünf Darsteller unter der Regie von Kelly Copper und Pavol Liska imstande sind. Es geht im Großen und Ganzen um Liebe und die Bereitschaft, dafür zu töten.

Verkommen, aber zärtlich

Der schöne Burt ist als Mann ohne tiefere Eigenschaften zwar Katalysator des Geschehens. Emotionales Zentrum des mit Pause fast vierstündigen Abends ist jedoch ein abgründiges Paar: Bob und Karen sind das Königsduo der verdorrten und vermüllten Insel, auf der Burt strandet. Sie sitzen auf Thronen aus Schrott. Wir erfahren: Einst gab es hier Bananen und süßes Leben. Als die Welt aber heißer wurde, überrannten Klimaflüchtlinge das Eiland, versklavten die Inuit, beuteten die Natur aus. Dann wandten sie sich gegeneinander. Hat der Fremde ein Virus in sich, fragen Bob und Karen? Ist er ein Flüchtling? So spielt der Abend mit Augenzwinkern auf aktuelle Themen an.

Überhaupt schafft er es, Stimmungen zu verquirlen. Tragisch und lustig, zynisch und zart liegen immer nah beieinander. Nicht nur, wenn Bob an einer langen Tafel eine große Distanz zu seiner Frau bedauert. Er meint es grundsätzlicher als des langen Tisches wegen. Es folgt ein abgründig liebevolles Duett.

Geschmacklose Kostüme, lächerliche Tanzeinlagen

Man soll dem Abend in jeder Sekunde seine Gemachtheit ansehen. Genauso wie geschmacklose Kostüme (Jeans-Hotpants an dem in ein Loch gesperrten Joseph, Strass und Pelz an Karen, ein schwarzes Hemd aus Spitze an Bob – ersonnen von Anna Sünkel) gehören dazu die lächerlichen Tanzeinlagen. Kopfwackeln und Schritt-vor-Schritt-zurück-Choreografie gehören zum Basisrepertoire, dazu kommen Ferse-Ballen-Wechsel, manchmal Pirouetten, Sprünge. Seinen Reiz bezieht das auch daraus, dass die heiteren Bewegungen fast nie mit dem Inhalt des Gesungenen übereinstimmen. Wirklich gut gemachter Camp.

Nicht weniger trifft das auf die Musik von Robert M. Johanson zu, einem Gründungsmitglied der Truppe. Die einfachen und schunkelbaren, dabei nie plumpen Melodien gehen mit Nachdruck und manchmal schräg gesungen schnell ins Ohr. Und ab und zu zieht ein Ton in eine unerwartet kantige Richtung. So wird es nie langweilig, nie zu platt.

Sind die Westernzitate bereits unangemessene kulturelle Aneignung? Egal, dem Publikum gefällt’s. Applaus für einen Abend, der mit viel Einsatz hochsympathisch effektvolle Szenen zaubert. (Michael Wurmitzer, 27.8.2021)