Ein EU-weites Vermögensregister lässt viele befürchten, ihr Hab und Gut in einer sprichwörtlichen Auslage wiederzufinden.

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Brüssel – Beim Ziel sind sich alle einig. Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gehören bekämpft – so einig, dass der Zweck die Mittel heiligt, dann aber doch nicht. Die Kommission hat diese Woche eine Machbarkeitsstudie zu einem EU-weiten Vermögensregister zur Kriminalitätsbekämpfung in Auftrag gegeben.

Laut der Ausschreibung könnten etwa Grundbucheintragungen, Handelsregister oder Informationen über Stiftungen gebündelt werden. Zudem soll untersucht werden, ob auch vorhandene Daten über Vermögen wie Kunstwerke, Kryptowährungen, Gold oder Immobilien einbezogen werden könnten.

Konkret soll die Studie untersuchen, welche Register über Vermögen von privaten Personen und Unternehmen es auf nationaler Ebene bereits gibt und wo relevante Informationen fehlen. Weiters soll erforscht werden, wie die verfügbaren Informationen beispielsweise in einer Datenbank zusammengeführt werden können. Kurzum, die Behörden bekämen Einblick in das Vermögen aller Bürgerinnen und Bürger der Union. Der daraus resultierende Aufschrei war groß. Von Überwachungsstaat bis Rettungsanker war alles dabei.

Dünne Datenlage

Was soll das bringen? Fakt ist, die Datenlage zur Vermögensverteilung in Europa ist extrem dünn. Alle drei Jahre führt die Nationalbank Vermögenserhebungen durch, diese sind jedoch auf freiwilliger Basis, und die reichsten Personen des Landes scheinen darin nie auf.

"Vermögen hat überall großen Einfluss auf die ökonomische Entwicklung, aber vor allem auch auf die politische Sphäre. Wer also sinnvolle wirtschaftspolitische Maßnahmen setzen will, braucht eine gute Datengrundlage", sagt Finanzexperte Wilfried Altzinger von der WU Wien. Die Sorge der zu großen Überwachung teilt Altzinger nicht.

Laut Erhebungen der OeNB besitze das reichste Prozent in Österreich 25 bis 30 Prozent des Vermögens und die Hälfte der Haushalte habe nichts. Die Vermögenswerte des Großteils der Bevölkerung seien kaum von Belang. "Das meiste Geld verliert die öffentliche Hand durch halb- bzw illegalen Finanzverkehr im großen Umfang, das zeigten unter anderem die Panama Papers. Deswegen hat die EU großes Interesse an besseren Datensätzen. Bessere Datenlage bei den Reichen ist unabdingbar", meint Altzinger.

Nichts Konkretes

Konkret wird man bei der EU aber ohnehin noch nicht. Auf Anfrage des STANDARD hieß es bei der Kommission, dass es noch keinen Plan gibt, ein derartiges Register tatsächlich einzuführen. Man verschaffe sich einmal einen Überblick über die Möglichkeiten. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit würde jedenfalls dadurch erleichtert und diene der europaweiten Transparenz.

Schwere Bedenken gegen dieses Vorhaben hegt Nikolaus Jilch vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Für ihn birgt ein derartiges Register zwei Probleme: "Einerseits lässt sich so etwas nicht umsetzen, Vermögen ist nichts Starres. Aktienkurse zum Beispiel schwanken, und wer will kontrollieren, ob ich Gold habe. Es scheitert also an der Bewertung." Weiters mahnt er, die Tür zu möglichen Enteignungen durch den Staat aufzustoßen. "Will der Staat sein Budget ausgleichen, kann er beispielsweise Menschen enteignen. Da geht es nicht nur um die Reichen."

Es gibt aber auch große Befürworter der Idee. "Ein solches Register ist die einzige Möglichkeit, um sinnvoll über eine Vermögenssteuer sprechen zu können", sagt ein Branchenexperte, der in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden möchte. Über Gerechtigkeit zu diskutieren sei sinnlos, jeder definiert Gerechtigkeit anders. Zahlen würden nicht lügen. "Reichenvertreter werden Datenschutz als Schutzschild nehmen und Eingriffe reklamieren. In Wahrheit spielen sie nur Datenschutz und wirkliche Eingriffe gegeneinander aus."

Bereits geteilte Daten

Einige Finanzinformationen werden bereits auf EU-Ebene gebündelt. Das betrifft bisher etwa Daten über wirtschaftliche Eigentümer von Gesellschaften – so kann transparent eingesehen werden, wem zum Beispiel eine Firma wirklich gehört. Im Juli hatte die Kommission weitere Vorschläge für Maßnahmen gegen Geldwäsche vorgelegt, etwa die Einrichtung einer Anti-Geldwäsche-Behörde und eine Obergrenze von 10.000 Euro für Bargeldzahlungen. (Andreas Danzer, 28.8.2021)