Birgit Minichmayr als Maria Stuart, Königin von Schottland.

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Davide Luciano als Don Giovanni mit totalem Einsatz...

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In jener fernen Zeit, als Corona noch mit einer Biermarke assoziiert wurde, hätte man angesichts des diesjährigen Programms der Festspiele eine gewisse Enttäuschung verspürt. Nur zwei Premieren plus vier Wiederaufnahmen? Ist das festspielwürdig? Die Antwort kann heuer natürlich nur Ja lauten. Zum einen muss die Saison 2021 als Fortsetzung des Sommers 2020 verstanden werden.

Zur Erinnerung: Pandemiebedingt wären die Festspiele im Vorjahr fast ausgefallen, um dann in abgespeckter Form doch stattzufinden. Um das Gesamtprogramm zu retten, wurden die Feiern zum 100. Geburtstag quasi um ein Jahr verlängert. Insofern ist 2021 nun Teil zwei eines sehr guten Jubiläumsprogramms gewesen.

Zum anderen haben die Wiederaufnahmen fast durchgehend Strahlkraft bewahrt: Nach wie vor packend die multimedial-psychologische Verdichtung bei Elektra in der Regie von Krzysztof Warlikowski und mit dem kundigen Franz Welser-Möst. Selbst die im Vorjahr wegen der Verordnungsnot (Pausen verboten) gestraffte Così wirkte nach wie vor durch die präzise Seelenchoreografie von Christof Loy. Ein Glücksfall die Leihgabe der Pfingstfestspiele: Il trionfo del tempo e del disinganno überzeugte in der Regie Robert Carsens als Disput zwischen Schönheit und Endlichkeit.

Quantität der Qualität

Bemerkenswert aber vor allem die Neuproduktionen: Intolleranza wurde bei Jan Lauwers zum engagierten Stück über Vertreibung. Und Don Giovanni raste auf der Schnellstraße des Todes seinem Ende entgegen, während Romeo Castellucci um den Wüstling herum ein kunsthistorisches Assoziationstheater inszenierte. Mit Teodor Currentzis hatte Castellucci einen Dirigenten zur Seite, der die szenischen Vorgängen auch markant subjektiv veredelte. Zum Glück produzierte dies etwas feuilletonistische Aufregung, wie sie auch Nikolaus Harnoncourt zu schätzen wusste.

Alles andere wäre Stillstand. Abgerundet wurde das Aufregungsangebot durch die Buhs für Michael Sturmingers Tosca, was Anna Netrebko womöglich dazu bewog, gegen die TV-Übertragung ein Veto einzulegen.

Im Konzertbereich gelang es heuer wieder, dem Motto "Quantität der Qualität" gerecht zu werden. Und es bewegen sich die Zahlen an sich trotz Pandemiesorgen im respektablen Bereich. Bei 227.062 Karten gab es eine Auslastung von 91 Prozent und Bruttoeinnahmen von 26,7 Millionen Euro. Obwohl die Gäste aus Fernost und den USA weitgehend ausblieben.

Salzburger Theater

Das mit vier Premieren vergleichsweise schmale Schauspielprogramm hat den einjährigen Aufschub aus dem Corona-Jahr 2020 unbeschadet überstanden. Nachholend oder gar ältlich wirkte nichts. Dass der "Jedermann" mit dem Hipsterpaar Altenberger/Eidinger gleich zu Beginn mit Kostümfragen Bahöl machte, hat den ganzen Betrieb angefeuert.

Dem alten Schlachtross vom Domplatz ist es mit dieser Neubesetzung und der Kurzhaarfrisur der Buhlschaft sowie den Absatzschuhen des Titelhelden besonders gut gelungen, das meistdiskutierte Schauspielereignis des Sommers zu sein. Schauspieldirektorin Bettina Hering hat gut kalkuliert, der Jedermann kam moderner und weniger betulich daher, die beiden Schauspieler lockten neues Publikum an.

Schauspielkunst triumphiert

Auch die drei weiteren Neuinszenierungen überzeugten. Wobei die Schauspielkunst zumindest bei zweien von ihnen die inszenatorischen Konzepte überflügelte. Allen voran brachte Lina Beckmann als Titelheld in "Richard the Kid and the King" in einer irrwitzig-abgründigen Körperperformance, die zwischen Killer und Kind, Wahnsinn und Strategie changierte, die Bühne auf der Perner-Insel zum Flirren.

Man wird sie so schnell nicht vergessen. Auch Martin Kušejs bildmächtige "Maria Stuart" ruhte ganz auf den Schultern der beiden Darstellerinnen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau.

Mit konzeptuellen Statements wollte sich die Regie in diesem Jahr nicht hervortun. Es war aber dennoch erst die Regie, die Hugo von Hofmannsthals vergessenes Stück "Das Bergwerk zu Falun" zum Leben erweckte. Mit klugen Strichen, einem tollen Bühnenbild und souveränen Schauspielern gelang Jossi Wieler ein Achtungserfolg.

Die Männlichkeitsbilder

Auf den Spielplänen wird Hofmannsthals Jugendwerk dennoch nicht so schnell landen. Dafür fehlte die Anknüpfung an die Gegenwart, die den anderen Produktionen durch ihren Fokus auf Geschlechterrollen beziehungsweise auf die Zeichenhaftigkeit von Körpern gelang. So war es dem Jedermann vergönnt, unterschiedliche Männlichkeitsbilder zu repräsentieren. Auch die Buhlschaft brach aus dem oktroyierten handelsüblichen Attraktivitätskorsett aus. Mit Beckmanns Richard betrat seinerseits ein Mann die Bühne, der von Anfang an sämtliche Zuschreibungen wegsprengte. Zugerichtet von einer Männerwelt, wurden auch die Königinnen in Maria Stuart zu Frauen eigenen Rechts. (Margarete Affenzeller, Ljubiša Tošic, Stephan Hilpold, 27.8.2021)