"Nie wieder 2015" scheint ihr Motto zu sein. Stark migrationskritische Regierungen in Mittel- und Südosteuropa wie die slowenische liegen auf gleicher Linie mit Österreich. Die Last möglicher Migrationswellen müsse von den Nachbarn Afghanistans übernommen werden, sagte etwa Anže Logar, Sloweniens Außenminister.

Ganz Ähnliches ist aus Griechenland zu vernehmen. "Es ist klar, dass unser Land kein Tor für eine neue Flüchtlingswelle sein wird", sagte Migrationsminister Notis Mitarakis. "Die Szenen, die wir 2015 erlebt haben, wollen wir nie wieder sehen", betonte er. Im August hat Griechenland die 40 Kilometer lange Mauer an der Grenze zur Türkei fertiggestellt, um illegale Migration zu verhindern.

Auf der Basis Ramstein wurde ein Camp für die ausgeflogenen Afghanen errichtet.
Foto: AFP/Douliery

Die Zahl der Flüchtlinge auf den Ostägäischen Inseln ist zurzeit – trotz einiger Ankünfte – sehr gering. Obwohl es Sorgen in Griechenland gibt, dass durch die Situation in Afghanistan wieder viel mehr Menschen auf den Ostägäischen Inseln ankommen, gehören überfüllte provisorische Lager wie jenes in der Nähe des Dorfes Moria auf Lesbos, das vor genau einem Jahr durch Brandstiftung völlig zerstört worden ist, der Vergangenheit an.

Kooperation mit der Türkei

Doch in Griechenland ist man sich einig, dass man alles tun wird, um neuerliche Migrationsströme wie 2015 und 2016 zu verhindern. Auch der Führer der linken Oppositionspartei Syriza, Ex-Premier Alexis Tsipras, meinte, "die unvermeidlichen neuen Flüchtlingsströme sollten nicht noch einmal von Griechenland oder anderen Erstaufnahmeländern getragen werden". In Griechenland sucht man deshalb den Kontakt zur Türkei. Premier Kyriakos Mitsotakis telefonierte bereits mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die Situation in Afghanistan hat die beiden Regierungen, die ein sehr spannungsreiches Verhältnis haben, nähergebracht – denn auch Erdoğan will keine Flüchtlinge in der Türkei.

Bislang kam es auch nicht zu einem Anstieg an Ankünften aus der Türkei in Griechenland. Seit Beginn der Pandemie ist die Zahl der Ankünfte in Griechenland massiv gesunken. Dennoch: Die slowenische Regierung, die die EU-Ratspräsidentschaft innehat, erwartet jedenfalls einen Anstieg von Menschen, die aufgrund der Bedrohung in Afghanistan in Europa Zuflucht suchen. In Ljubljana betont man, dass man bereits wie die anderen EU-Staaten Notfallpläne erarbeitet hat. An Möglichkeiten, die Grenze wie 2015 ohne Visa übertreten zu können, ist nicht gedacht.

Regeln werden weiter umgesetzt

"Die Regeln und Verfahren für die Einreise in den Schengen-Raum sind klar und werden an der Schengen-Außengrenze weiter umgesetzt", stellt das slowenische Innenministerium klar. "Das Grenzmanagement ist belastbar und flexibel, um die erwartete Situation zu bewältigen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, im Bedarfsfall die Aufnahme von Grenzschutzbeamten anderer EU-Mitgliedsstaaten anzufordern und zu organisieren", so das Ministerium zum STANDARD.

Das slowenische Außenministerium betont, dass es Ljubljana vorrangig um die Evakuierung slowenischer Staatsbürger gehe. Dasselbe gelte für Afghanen, die slowenische Aktivitäten in Afghanistan direkt unterstützt haben. "Slowenien prüft bereits alle Möglichkeiten zur Ansiedlung einiger lokaler afghanischer Mitarbeiter", so das Außenamt. Es handle sich um zwei Familien, insgesamt 14 Personen, die mit slowenischen Militärs kooperiert haben. Eine Familie wurde bereits nach Slowenien geholt. "Im Sinne der Solidarität und Lastenteilung zwischen den EU-Mitgliedern arbeiten wir derzeit auch daran, bis zu fünf afghanische Staatsbürger mit ihren Familien aufzunehmen, die in der EU-Delegation und den Büros als lokales Personal tätig waren."

Minimalvariante

Für den Nato-Staat Slowenien ist das aber die Maximalvariante. An die Aufnahme von anderen Flüchtlingen, die nicht mit westlichen Staaten kooperierten, ist nicht gedacht. Auch Kroatien will nur 20 Afghanen aufnehmen, die für die kroatischen Streitkräfte gearbeitet haben. Überall in der EU unterscheidet man zwischen lokalem Personal, das die Nato-Staaten unterstützte, und dem Rest der Bevölkerung, also potenziellen Flüchtlingen.

Es gibt aber prowestliche Staaten in Südosteuropa, die den USA einen Gefallen machen wollen und bereit sind, einen Teil jener Menschen, die nach Ramstein ausgeflogen werden, aufzunehmen. Dazu zählen Nordmazedonien, der Kosovo und Albanien. Albaniens Premierminister Edi Rama sagte, sein Land sei bereit, bis zu 3.000 afghanische Flüchtlinge aufzunehmen. Sogar Studentenwohnheime wurden deshalb geleert. Nordmazedonien hat sich bereiterklärt, 450 Afghanen unterzubringen, während man im Kosovo sogar von 10.000 Personen sprach. Das ist allerdings angesichts der Unterbringungsmöglichkeiten in dem kleinen, sehr armen Staat wohl nicht realistisch.

Erste Sorge: Menschen retten

Bereits während der Migrationskrise 2015/2016 hat der Kosovo seine Bereitschaft erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch die Realität zeigte, dass die Geflüchteten keinesfalls in Südosteuropa bleiben wollten – viele wollen nicht einmal in Kroatien um Asyl ansuchen.

Doch diesmal ist die Situation eine andere: Die Afghanen, die nun aus ihrer Heimat nach Europa ausgeflogen werden, werden – organisiert durch die USA – auf mehrere Staaten verteilt. Menschen, die nun aus Afghanistan kommen, sind aber Flüchtlinge im wahrsten Sinne des Wortes, wie die ehemalige kroatische Außenministerin Vesna Pusić betonte. "Die erste Sorge sowohl der EU-Mitgliedsstaaten als auch der USA und aller anderen sollte sein, wie diese Menschen gerettet werden können und wie ihnen geholfen werden kann – und nicht, wie man eine sogenannte Migrationswelle vermeiden kann", meinte sie kürzlich. (Adelheid Wölfl, 8.9.2021)