Am Parteitag wurde Sebastian Kurz am Samstag als ÖVP-Chef bestätigt.

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"Gute Stimmung" war die am häufigsten zu hörende Antwort, wenn man sich am ÖVP-Parteitag über die Erwartungshaltung der türkisen Delegierten erkundigte. Sofern man darunter ein Zeltfest mit Gesinnungsfreunden, einen dauerbegeistert lärmenden Peter L. Eppinger und einen Huldigungsreigen für den Kanzler versteht, wurde die Erwartung sicherlich erfüllt.

Tatsächlich hatten die 540 ÖVP-Delegierten und die rund 700 Gäste am Samstag durchaus Grund zur Ausgelassenheit. Es war die erste große Parteiveranstaltung mit Küsschen und Umarmungen seit Beginn der Pandemie, und seit dem vorherigen Bundesparteitag 2017 hat die Volkspartei fast jede Wahl quer durch Österreich gewonnen.

Die Ursache dafür sieht man von der kleinen Jungfunktionärin bis zum langgedienten Seniorenbündler nur oder vor allem in Sebastian Kurz. Der wurde in den Reden von Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Klubobmann August Wöginger so intensiv umschmeichelt, dass er selbst "Angst hatte, dass ich langsam rot werde", wie er dem Publikum eröffnete.

Frage, ob er da richtig ist

Das emotional wichtigste Thema am Parteitag bestand in der mantrahaft verbreiteten Erzählung, Kurz sei das Opfer allseitiger Verfolgung. Die "vereinigte Opposition" wolle nichts lieber, als Kurz mit allen Mitteln aus dem Amt zu jagen. Der ÖVP-Chef selbst klagte der mitleidsvoll ergriffenen Zuhörerschar, dass ständig "mit persönlichen Angriffen, Unterstellungen und Anzeigen" gegen ihn gearbeitet werde. Gegipfelt sei das in der Einleitung des Strafverfahrens gegen ihn wegen Falschaussage im U-Ausschuss: "Das hat auch bei mir alles bisher Erlebte in den Schatten gestellt."

Es habe Tage gegeben, an denen er sich gefragt habe, ob "ich da wirklich richtig bin, ob es das ist, was man im Leben möchte, und wie lange man so etwas aushält". Letztlich sei er aber durch den Zuspruch seiner Getreuen in Reaktion auf den Gegenwind stärker worden: "Sie haben mich entschlossener gemacht, mit mir könnt Ihr rechnen!" Und er auch mit ihnen, wovon das Ergebnis mit rund 99 Prozent Zustimmung für die Wiederwahl zum Parteiobmann zeugt.

Neue und alte Inhalte der ÖVP

Für kaum Gesprächsstoff sorgte am Parteitag der Leitantrag. Er wurde ohne Debatte oder Gegenstimmen akklamiert. In dem 20-seitigen Papier finden sich allerdings die inhaltlichen Leitlinien, die sich die ÖVP für die kommenden vier Jahre gibt. Darunter sind bekannte Punkte, die bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm verankert sind. So etwa die Senkung der Lohnsteuertarifstufen und die Erhöhung des Familienbonus. Erst aus diesem Jahr stammt hingegen die türkise Positionsänderung von einer Ablehnung zur Befürwortung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts. Der Parteitag hat den Meinungsumschwung, der ein Ausfluss der Justizermittlungen gegen ÖVP-Granden ist, umstandslos abgesegnet.

Bereits vor der St.Pöltner Zusammenkunft war für Freunde populistischer Kuriositäten das Ansinnen eines Schariaverbots an die Medien gedrungen.

Hilfe für Alte

Daneben finden sich im Leitantrag aber auch einige Vorstellungen, die man bisher noch nicht eng mit der ÖVP assoziiert hat. Um älteren Menschen das Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, soll eine "Fachkraft für Nachbarschaftshilfe" als Tätigkeitsbild geschaffen werden. Diese soll den Alten auch beim Umgang mit digitalen Systemen zur Seite stehen.

Eingedenk der Erfahrungen mit der Pandemie will die ÖVP für Unternehmen Anreize setzen, um den Mitarbeitern mehr Homeoffice zu ermöglichen. Auch Telemedizin soll nach der Krise beibehalten und gar "zum Standard" gemacht werden.

Bitcoin-Gewinne und Welpenhandel

In der Finanzpolitik schwebt Kurz’ Partei die Besteuerung von Gewinnen mit Kryptowährungen à la Bitcoin vor. Überdies bekennt sie sich zur ökosozialen Steuerreform. Um die Abwanderung in Gebiete mit niedrigen Umweltstandards zu verhindern, soll ein internationaler oder jedenfalls europäischer CO2-Zoll eingeführt werden.

"Rechtliche Anpassungen"f ordert man, um den "illegalen Welpen- und Katzenjungenhandel in Österreich zu unterbinden". Ferner soll es ein "Verbot von Impulskäufen bei Tieren" plus Verpflichtung zur artgerechten Haltung von Kleintieren geben. (Theo Anders, 29.8. 2021)