Ein 34-Jähriger fühlte sich von den Casinos geprellt – und drohte in zwei Spielbanken mit Bombenexplosionen, falls er nicht 500.000 Euro bekomme.

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Wien – Der Unterschied zwischen Fiktion und Realität ist, dass im Casino von Royale-les-Eaux am Baccara-Tisch elegant gekleidete Damen und Herren sitzen, die Namen wie Felix Leiter, Le Chiffre und James Bond tragen. Und in den Casinos Wien und Baden Herr C. maximal hundert Euro in eine Runde Black Jack, Roulette oder Automaten investiert. Da sich der 34-Jährige von der Spielbank um 360 Euro geprellt gefühlt hat, drohte er am 14. Juni mit Bombenexplosionen, falls er nicht 500.000 Euro in bar erhalte. Was ihn nun vor ein Schöffengericht unter Vorsitz von Anna Marchart gebracht hat.

Der zweifach vorbestrafte C. bekennt sich nicht schuldig, denn er ist auch heute noch der Meinung, dass ihm das Geld zusteht. "Ich spiel seit zwölf Jahren, bin Kunde bei Admiral, in Tschechien, online auch", erklärt der Arbeitslose. "In zwölf Jahren habe ich sowas noch nie erlebt!", empört sich der Österreicher auch vor Gericht. Angeblich sei ihm einmal am Roulettetisch die Auszahlung eines Gewinnes von 350 Euro plus zehn Euro Einsatz verweigert worden, da die Platzierung der Wette nach dem "rien ne vas plus" erfolgt sei.

Forderung an den Saalchef

Wann das genau gewesen sein soll, konnte er bereits am Tattag gegenüber dem Saalchef, von dem er das Geld forderte, nicht mehr sagen. Auch vor Gericht tut er sich schwer, meint schließlich, es müsse vor dem ersten Lockdown 2020 gewesen sein. Am 14. Juni 2021 ging er jedenfalls am Nachmittag ins Casino in der Wiener Kärntner Straße und ließ sich den Saalchef holen, um die 360 Euro zu fordern. Der verweigerte die Auszahlung, worauf C. ihn bedroht haben soll, was der Angeklagte bestreitet.

C. sagt, er habe dem Saalchef zwei Wochen Zeit gegeben, um die Rechnung zu begleichen, und sei nach Hause gefahren. Am späteren Abend sei er zurück in die Stadt gefahren und habe zunächst am Würstelstand Alkohol getrunken. Keinen Wodka-Martini, sondern Red Bull mit Jägermeister. Als er zurück ins Casino wollte, erklärte man ihm, dass er Hausverbot habe – dieses hatte der Saalchef verhängt.

Casino "in die Luft jagen"

Einer jungen Mitarbeiterin gegenüber schraubte C. daraufhin seine Forderung in die Höhe: Er wolle 500.000 Euro haben, wenn er die nicht bekomme, würde es der Saalchef "mit seinem Leben bezahlen". Dem Sicherheitsmitarbeiter, der ihn hinausbegleitete, drohte er, er werde das Casino "in die Luft jagen". Vor Gericht verteidigt sich der Angeklagte mit: "Ich kann ja nicht einmal eine Bombe bauen!" – "Das weiß ja niemand", gibt Vorsitzende Marchart zu bedenken. "Ich habe mich eh entschuldigt, dass ich angsoffen bin", führt C. für sich ins Feld.

Nach dem Rauswurf griff er in der Innenstadt jedenfalls zu seinem Mobiltelefon – rief mehrmals im Casino Wien an. Er gab sich als Dritter aus und forderte für C. die Auszahlung der 500.000 Euro. C. sei "ein sehr einflussreicher Mann", erinnert sich eine Zeugin an die Formulierung. Einer anderen sagte der Angeklagte, "C. ist ein sehr wohlhabender Mann. Ihm gehört Wien." Etwaige Zugehörigkeiten zu politischen Parteien kamen nicht zur Sprache, was seine Erfolgschance deutlich schmälerte.

Spielbank evakuiert

Denn seine Forderung nach den 500.000 Euro, die man ihm zum Schottentor bringen sollte, wurde nicht erfüllt. Stattdessen wurde, da er neuerlich mit einer Bombe gedroht hatte, das Casino evakuiert, 200 Gäste konnten plötzlich nicht mehr weiterspielen. "Ich wollte nicht drohen. Ich habe getrunken", argumentiert der Angeklagte vor Gericht. Alle Zeugen sagen jedoch, dass der Anrufer nüchtern geklungen habe.

Da aus Wien kein Geld kam, versuchte C. es im Casino Baden. Dessen Direktor sagt als Zeuge, an diesem Abend habe in seinem Haus die Tagung der Direktoren aller Casinos des Landes stattgefunden. Dabei sei ihm von der Evakuierung in Wien erzählt worden. "Mein Saalchef kam gegen 23.45 Uhr mit dem Telefon zu mir und sagte: 'Ich hab hier einen Herrn dran mit einer Bombendrohung.'" Der Badener Direktor übernahm das Gespräch, die Forderung lautete diesmal, 500.000 Euro innerhalb einer halben Stunde in die Wiener Innenstadt zu bringen.

"Wos moch ma jetzt?"

"Ich habe ihm erklärt, dass sich das in der Zeit nicht ausgeht und wir auch nicht so viel Geld verfügbar haben. Dass das also aus mehreren Gründen nicht umsetzbar ist", erinnert sich der Zeuge. C.s Reaktion darauf: "Wos moch ma jetzt?" Der Direktor kündigte dem Anrufer an, er werde aus Sicherheitsgründen auch das Badener Casino räumen lassen, was mit "Okay" und Auflegen quittiert wurde.

Wie C. eigentlich plötzlich auf die 500.000 Euro gekommen sei, wenn es ihm ursprünglich nur um die 360 Euro ging, will die Staatsanwältin wissen. Er habe beim digitalen Spiel ziemlich viel Geld gewonnen und in der analogen Welt wieder verloren, behauptet der Angeklagte. Er dachte, er habe ein Anrecht auf Rückerstattung. "Wenn das nicht der Fall ist, dann will ich es auch nicht", gibt C. sich konziliant.

"Im Internet ist es besser"

"Waren Sie spielsüchtig?", fragt ihn Verteidigerin Silvia Vinkovits. "In der Zeit war ich es vielleicht", bleibt der Angeklagte vorsichtig. Eine Zeitlang habe er eine Selbsthilfegruppe besucht, auch Familienmitglieder hätten ihn vom Casino- und Wettlokalbesuch abgehalten. "Im Internet ist es besser, da kann man mit kleinen Einsätzen viel gewinnen", ist er überzeugt.

"Sind Sie spielsüchtig?", will Vorsitzende Marchart eine klare Antwort. "Jetzt nicht mehr. Ich spiele seit zwei Monaten nicht mehr", lautet diese. "Sie sitzen auch seit zwei Monaten in Untersuchungshaft. Hätten Sie im Gefängnis spielen können?", erlaubt sich Marchart, auf eine intervenierende Variable hinzuweisen. "Nein", sagt der Angeklagte. "Dann ist es keine besondere Leistung, nicht zu spielen, oder?" – "Nein, ich denke nicht einmal mehr daran."

Am Übergabeort gewartet

Am Ende bleibt der Angeklagte dabei: Zu 80 Prozent stimme es nicht, was die Zeugen gesagt hätten. "Ich habe dort angerufen und wollte 500.000 Euro Entschädigung", gibt er zu. An Drohungen will er sich aber nicht erinnern können. "Ich habe nicht gewusst, dass sie mich ernst nehmen", sagt er einerseits, gibt andererseits aber auch zu, nach dem Telefonat mit Baden eine halbe Stunde am Übergabeort gewartet zu haben.

Als Grund, warum ihn die Zeuginnen und Zeugen belasten sollten, hat C. mehrere Erklärungsansätze: "Die haben vielleicht Angst, dass ich recht habe und sie anklage", zum Beispiel. Aber auch: "Es gibt so viele Betrüger, die laufen frei rum!"

Bei einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren erscheinen dem Senat nach kurzer Beratung drei Jahre unbedingt tat- und schuldangemessen. "Ja, des kann's jetzt oba ned sei?", reagiert der Angeklagte zunächst fassungslos. Schließlich akzeptiert er die Entscheidung ebenso wie die Anklägerin, das Urteil ist daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 30.8.2021)