Youtube hat seine Regeln inzwischen zwar verändert, allerdings scheint das Problem weiterhin zu bestehen.

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Eine Python umschlingt eine Katze, die miauend um ihr Leben kämpft, bis sie nicht mehr zu atmen scheint – und schlussendlich von einem mutmaßlichen Retter mittels Herzmuskelmassage wiederbelebt wird. So verläuft die Handlung eines millionenfach angesehenen und vielfach geposteten Youtube-Videos, das zuletzt von einem Kanal namens "Rescue animals" online gestellt wurde. Wie "Wired" berichtet, wurden in der Kommentarspalte des inzwischen gelöschten Beitrags die scheinbaren Retter gefeiert. In Wirklichkeit handelt es sich um nur eines von vielen Beispielen gestellter Rettungen, mit denen Tierleid monetarisiert wird.

In einem anderen Beitrag, so die Berichterstatter, sieht man einen Mann in schwarz-pinkem Trainingsanzug im Dunkeln über einer Katze stehen. Das Tier krümmt sich in Not, die Pfoten sind mit Klebeband gefesselt. Die gesamte Rettungsaktion wurde gefilmt, auf Youtube gestellt und erzielte 120.000 Views. Es ist jedoch unklar, in welcher Reihenfolge die Ereignisse tatsächlich gefilmt wurden. Außerdem soll der Mann sehr zielstrebig durch die Dunkelheit marschieren, bis er das zu rettende Tier findet – etwas sehr Übliches für gestellte Rettungen.

Tierquälerei seit Beginn

Dass Youtube Tierquälerei eine Plattform bietet, ist keinesfalls neu. Berichte zum Thema gab es schon in den frühen Jahren der Plattform. Auch reichweitenstarke Inhaltsschaffende weisen in Beiträgen immer wieder auf das Problem hin. Im März kontaktierte "Wired" die Plattform deshalb wegen 28 Kanälen, die sich offensichtlich gestellten Rettungen und der Tierquälerei verschrieben haben. Manche davon verdienen ihr Geld mit Werbung, andere forderten die Zuschauer zu Paypal-Spenden auf oder verkauften sogar T-Shirts. Immer wieder waren auf den Kanälen außerdem gestohlene Videos zu finden, teilweise auch von echten Tierschutzorganisationen. Inzwischen soll Youtube fast alle dieser Kanäle gelöscht haben. Das Problem bleibt aber bestehen.

Alleine die Non-Profit-Tierschutzorganisation Lady Freethinker untersuchte zwischen Mai und Juni 2020 2.000 Fake-Rettungsvideos auf Youtube, die insgesamt mehr als eine Milliarde Mal angesehen wurden. Am Ende der Untersuchung sollen 91 Prozent der Beiträge weiterhin online gewesen sein. Den Youtubern könnte das fast 15 Millionen Dollar, dem Unternehmen selbst mehr als zwölf Millionen Dollar an Werbeeinnahmen beschert haben.

Reichweitenstarke Akteure

Der unabhängige Forscher umbi stellte den Berichterstattern außerdem eine Liste mit mehr als 2.000 Kanälen mit vergleichbaren Inhalten zur Verfügung. Darunter sollen sich gestellte Rettungen, geklaute Videos und falsche Tierheime mit betrügerischen Zahlungsinformationen befunden haben. Der Forscher fand zudem heraus, dass mehrere Kanäle offenbar von denselben Personen betrieben werden und die gleichen Paypal-Informationen beinhalten.

Trotz der Löschung mehrerer hundert Videos von dieser Liste, scheint man das Problem nicht in den Griff zu bekommen. Ist ein Beitrag erst einmal online, wird er meist mehrmals kopiert und erneut hochgeladen. Selbst wenn der originale Account gelöscht werden sollte, bleiben die Inhalte also online. Und diese werden so gestaltet, dass sie möglichst viel Geld einbringen. Vorschaubilder werden also entsprechend bearbeitet, damit möglichst viel Blut zu sehen ist, und harmlose Beiträge so präsentiert, dass sie vor dem Ansehen gewalttätig wirken.

Explizites – und wirkungsloses – Verbot

Am 30. Juni kündigte die Plattform schließlich ein explizites Verbot gestellter Tierrettungen an. Entsprechende Videos fallen unter die Richtlinien zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten. Für die Durchsetzung würden sowohl Maschinenlernen als auch menschliche Überprüfungen eingesetzt werden. Sucht man also nach "animal rescue", tauchen tatsächlich weniger Ergebnisse auf. Tippt man hingegen "poor puppy" in die Suchleiste ein, tauchen weiterhin entsprechend grausame Beiträge auf, die innerhalb der letzten Monate hochgeladen wurden.

"Ein Verbot gefälschter Rettungsaktionen zu verkünden ist ein vielversprechender erster Schritt, aber die bisherigen Bemühungen scheinen weitgehend wirkungslos zu sein", sagt deshalb auch Nina Jackel von Lady Freethinker: "Ich hoffe, dass Youtube sinnvolle Maßnahmen setzt, um diese grausamen Inhalte vollständig zu beseitigen." (mick, 31.8.2021)