Für Alstom-Bombardier ist der Zug bei der Wiener Schnellbahn abgefahren.

Foto: Robert Newald

Wien – Die ÖBB schaltet im Streit mit dem säumigen Zugausrüster Alstom-Bombardier einen Gang höher. Weil der französisch-kanadische Konzern seit zwei Jahren in Verzug ist mit der Lieferung von 21 Elektrotriebzügen ("Talent-3") für den Einsatz in Vorarlberg, hat die Staatsbahn den 2016 geschlossenen Vertrag gekündigt.

Außerdem verlangt die ÖBB-Personenverkehr AG die bereits geleisteten Anzahlungen in Millionenhöhe zurück – auch jene für die danach bestellten 24 weiteren Schnellbahnzüge für Tirol, die ebenfalls noch über keine behördliche Zulassung verfügen. Der Schritt ist einzigartig in der Geschichte der Bundesbahn, noch nie gab es eine Beschaffung von Rollmaterial, die derart aus dem Ruder gelaufen ist. Technische Probleme sind bei Beschaffungsvorgängen normal, die meisten werden aber auf dem Verhandlungsweg gelöst.

Ersatzbestellung auf Schiene

Wie ernst es der ÖBB ist, zeigt der Beschluss vor zwei Wochen. In einer außerordentlichen Sitzung gab der Aufsichtsrat dem Vorstand nicht nur grünes Licht, bei Siemens eine Ersatzbestellung vorzunehmen, sondern auch für die Kündigung der seit 2016 mit Bombardier geschlossenen Verträge für die Zugbeschaffung für Vorarlberg und Tirol, also insgesamt 45 Elektrotriebzüge. Bei der ÖBB bestätigte man am Dienstag diesbezügliche Recherchen und Informationen des STANDARD.

Die Ersatzvergabe ist bereits auf Schiene. Im Dezember startete die ÖBB die Ausschreibung. Den Zuschlag bekam vor zwei Wochen Siemens. Der deutsche Elektromulti ist der einzige Anbieter, der in der Lage ist, die ersten der 21 Züge bis Ende 2022 auf Schiene zu bringen. Schließlich hat die ÖBB bereits hundert Schnellbahnzüge des Typs Desiro ML von Siemens, die unter der Flagge "ÖBB-Cityjet" herumkurven.

Schadenersatz in Millionenhöhe

Wild entschlossen ist man darüber hinaus, von der zwischenzeitlich von Alstom geschluckten Bombardier Schadenersatz zu verlangen. Auf 1,3 bis 1,5 Millionen Euro taxieren mit der Materie vertraute Insider die Schadenssumme, die die ÖBB pro Zug verlangen will. Zufall oder nicht – das ist ungefähr jene Größenordnung, um die die nun bestellten Siemenszüge teurer seien als die im alten Rahmenvertrag bestellten Desiro-Züge, rechnet ein Auskenner vor.

Einfach dürfte das nicht werden für die ÖBB, Schadenersatz zu bekommen, jahrelange Gerichtsverhandlungen mit Sachverständigengutachten sind programmiert. Denn bereits im Zuge der technischen Zulassung des Talent-3-Zugs wurde klar, dass die Geschäftspartner einander mit Argwohn begegneten. Von Sonderwünschen sonder Zahl ist die Rede, die von der Bahn nachträglich verlangt worden seien, was ebendiese bestreitet. Bombardier wiederum ist selbst bei Standardausrüstung wie dem Zugsicherungssystem ETCS in Verzug. (Luise Ungerboeck, 1.9.2021)